Der Vorstand der Marx-Engels-Stiftung (MES) wählte im Juni den Informatiker Stefan Kühner aus Karlsruhe zum neuen Vorsitzenden. Er löst Hermann Kopp ab, der die Stiftung über schwierige Jahre seit 2010 geführt hat.
UZ: Was macht deine neue Aufgabe als Vorsitzender der Marx-Engels-Stiftung für dich reizvoll?
Stefan Kühner: Mich reizt die Möglichkeit, mit unseren Tagungen und Seminaren in die politischen Debatten einzugreifen. Wir haben in allen Regionen des Landes großartige Referentinnen und Referenten, deren Gedanken und politische Erfahrungen eine weite Verbreitung verdient haben. Dazu nutzen wir unsere Tagungen, Seminare sowie Abendvorträge. Wichtige Partner für die Verbreitung haben wir in der UZ, der Tageszeitung „junge Welt“ und den „Marxistischen Blättern“. Darüber hinaus wollen wir verstärkt Kanäle wie YouTube und Facebook nutzen, um Vorträge als Videos einem weiteren Publikum näher zu bringen. Diese Videos können zusätzlich für Versammlungen und Gruppenabende genutzt werden.
UZ: Dein Vorgänger Hermann Kopp hat die Stiftung durch schwierige Jahre geleitet. Wie sieht die Situation der Marx-Engels-Stiftung momentan aus?
Stefan Kühner: Die Marx-Engels-Stiftung wurde 1970 anlässlich des 150. Geburtstages von Friedrich Engels gegründet. Seither sind mehr als 50 Jahre vergangen, in denen sich das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit auf nationaler Ebene und international mächtig geändert hat – zum Nachteil der Arbeiterklasse und der ausgebeuteten Völker. Die Angriffe des Kapitals werden härter. Sie treffen die Organisationen der Beschäftigten angefangen bei den Gewerkschaften, über politische Bewegungen wie die VVN und Attac bis hin zu klassenorientierten Parteien wie jüngst die DKP. Auf vielen Ebenen befinden sich die Arbeiterklasse und die mit ihr verbundenen Kräfte in der Defensive. Das bedeutet aber nicht, dass der Wunsch nach einem gerechten politischen System verschwunden wäre. Der Wunsch nach einer gesellschaftlichen Alternative zum Kapitalismus ist unüberhörbar. Die Herausforderung besteht darin, solche Alternativen aufzuzeigen. Dazu gehört, die Erkenntnisse von Marx, Engels, aber auch Lenin zu erklären. Ebenso wichtig ist es, diese Erkenntnis mit der Lebenspraxis und den Erfahrungen der Jugend, von Frauen und der arbeitenden Bevölkerung zu verbinden. Wir wollen aufklären und historische, ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Zusammenhänge offenlegen.
UZ: Aufgrund der Corona-Pandemie musstet ihr viele Veranstaltungen absagen, ihr habt aber auch Neues ausprobiert. Was habt ihr dazugelernt?
Stefan Kühner: Nein, wir haben gar nicht so viele Veranstaltungen abgesagt. Wir haben die Möglichkeiten der Digitaltechnik offensiv aufgegriffen und Seminare als Videoveranstaltungen oder sogenannte Hybridveranstaltungen durchgeführt. Im Juli trafen sich 25 Genossinnen und Genossen im Clara-Zetkin-Waldheim in Stuttgart und 30 Leute über das Internet zum Thema „China: Blaupause für eine prosperierende und friedliche Welt?“ und alle Vorträge dieser Seminare liegen als Download auf unserer Homepage.
UZ: Ihr habt als Vorstand eine Klausur durchgeführt. Was können wir von der Marx-Engels-Stiftung erwarten?
Stefan Kühner: Nachdem Hermann Kopp nach langer erfolgreicher Arbeit den Staffelstab an mich weitergegeben hat, haben wir in einem Naturfreundehaus bei Solingen über ein Wochenende hinweg über unserer Arbeit beraten. Wir werden auf dem Weg weitergehen, der die Arbeit der Marx-Engels-Stiftung geprägt hat. Wir werden „alte“ Themenfelder aufgreifen wie die Friedenspolitik, einschließlich der Bedrohungsszenarien gegen China und Russland. Wir werden sehr aktuelle Aspekte diskutieren wie die „Corona-Politik der Herrschenden“ und die „Auswirkungen der digitalen Produktivkräfte auf die Produktionsverhältnisse“. Selbstverständlich bleibt es bei klassischen Themen wie Engels‘ Schrift „Über den Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen“ sowie Seminare zu Kunst und philosophischen Fragen sowie Überlegungen zum marxistischen Menschenbild.
Internetseite der Marx-Engels-Stiftung: www.marx-engels-stiftung.de