Am Wochenende gab es Parlamentswahlen im Libanon – sie wären regulär bereits 2013 fällig gewesen. Doch die beiden Blöcke im Parlament um das „Future Movement“ unter Saad Hariri auf der einen Seite und um Hisbollah und ihre Unterstützer auf der anderen konnten sich damals nicht auf einen Kandidaten für das Präsidentenamt einigen. So beschloss das Parlament mit einer Zweidrittelmehrheit die Wahlen zu verschieben.
Erst der Deal vom Oktober 2016 machte den Weg für die Parlamentswahlen frei. Michel Aoun wurde als Verbündeter der Hisbollah zum Staatspräsidenten gewählt – und Saad Hariri im Gegenzug zum Ministerpräsidenten. Vordergründig scheinen die beiden Blöcke, die sich im Libanon gegenüberstehen, religiös definiert: die Sunniten um das „Future Movement“ gegen die Schiiten um Hisbollah, mit den Vertretern der Christen als Zünglein an der Waage. Doch das ist bestenfalls ein Teil der Wahrheit. Die Orientierung des „Future Movement“ und des größten Teils der libanesischen Eliten auf eine Zusammenarbeit mit den USA steht der Orientierung der Hisbollah und ihrer Verbündeten mit ihrer Unterstützung der syrischen Regierung diametral entgegen.
Die parlamentarische Zusammenarbeit zwischen den Blöcken seit 2016 – die Hariri den Unwillen Saudi-Arabiens eingetragen hatte – hat mehrere Ursachen. Von vielen Städten Syriens ist es nur ein kurzer Weg in den Libanon und die Grenzen sind relativ offen. Viele Syrer haben schon vor dem Krieg im Libanon gearbeitet oder haben dort Verwandte. So ist im Verlauf des Krieges die Zahl von Flüchtlingen auf ca. zwei Millionen gestiegen – bei einer Einwohnerzahl des Libanon von 6 Millionen. Eine ungeheure Belastung für den Staat, für die es eine Lösung geben muss.
Und Korruption und Misswirtschaft haben ein episches Ausmaß. Deutlich wurde dies in der „Müllkrise“ von 2015. Der Grund für die Müllkrise war die Schließung der wichtigsten Mülldeponie des Landes, die Ende der 1990er Jahre als Notlösung errichtet worden war. Sie musste von der Regierung geschlossen werden, weil die Anwohnerproteste gegen die Umweltbelastungen der Deponie zu groß geworden waren. Der Müll verrottete stinkend auf den Straßen, die Demonstranten wollten nicht nur eine Lösung für das Müllproblem, sie wollen auch ein Ende der Korruption und der Misswirtschaft sowie Verbesserung bei der Infrastruktur. Zu den Forderungen der „Ihr stinkt“-Kampagne gehörten Neuwahlen des Parlaments.
Der Deal zwischen Hisbollah und „Future Movement“ hatte den Weg für Neuwahlen freigemacht. Es gab auch eine Änderung des Wahlgesetzes und eine teilweise Umstrukturierung der Wahlkreise. Das kann dazu führen, dass Kandidaten, die nicht von vornherein einem der beiden Blöcke angehören, ins Parlament einziehen werden. Alle Kandidaten mussten sich auf Listen für den jeweiligen Wahlkreis eintragen. So gibt es 77 Listen mit insgesamt 583 Kandidaten – 111 von ihnen sind Frauen. Ein erstaunlicher Anstieg, nachdem es bei den letzten Wahlen gerade mal 12 waren. Auf den Listen befinden sich Geschäftsleute, Vertreter der Proteste von 2015, „Future Movement“ und Hisbollah und ihre jeweiligen Verbündeten, darunter auch Kandidaten der Partei des syrischen Ministers für Versöhnung, Ali Haidar. Die Listen sind mit Farben gekennzeichnet – eine „Farbenrevolution“ aber ist nicht zu erwarten.
Die endgültigen Ergebnisse der Wahlen stehen noch aus.