Die Panzer rollen: Defender Europe 2020, Ende Januar gestartet, ist Ende Februar in die Hauptphase übergegangen. Nach allerlei vorbereitenden Tätigkeiten, nach dem Bereitstellen von Versorgungsgütern, dem Aufbau von Zeltstädten und mobilen Tanklagern und vielem mehr fliegen nun die Truppen ein, übernehmen Fahrzeuge und Gerät von Schiffen, die aus den USA im Westen Europas ankommen, und aus gewaltigen Materiallagern in Westdeutschland, Belgien und den Niederlanden, in denen Kriegsgerät für eine ganze Division gebunkert ist. Und dann geht‘s auf in Richtung Osten, über Straßen, Schienen und Kanäle in größtmögliche Nähe zur russischen Grenze, dorthin also, wo die Vereinigten Staaten ihren Gegner verorten, und nicht nur sie. „Russland sucht seinen Großmachtstatus wiederherzustellen“, heißt es in der aktuellen National Security Strategy der USA vom Dezember 2017; es „zielt darauf ab, den US-Einfluss in der Welt zu schwächen“: Darauf müssten die Vereinigten Staaten nun „antworten“.
Das größte US-Manöver in Europa seit mehr als einem Vierteljahrhundert, das als Antwort den Aufmarsch Richtung Russland probt, wird nun freilich auch in Deutschland von der herrschenden Elite zufrieden begrüßt. Zwar verbinde „Europa mit Russland“, so heißt es im Weißbuch der Bundeswehr vom Juli 2016, „ein breites Spektrum gemeinsamer Interessen und Beziehungen“, die „eine belastbare Kooperation“ durchaus als wichtig erscheinen ließen. Doch präsentiere Russland sich „international … als eigenständiges Gravitationszentrum mit globalem Anspruch“; es stelle „somit auf absehbare Zeit eine Herausforderung für die Sicherheit auf unserem Kontinent dar“. „Umso wichtiger“ sei deswegen „im Umgang mit Russland die richtige Mischung“ aus einer „sektoralen Zusammenarbeit“ einerseits, andererseits jedoch einer „kollektive(n) Verteidigung“ gegen Moskau sowie „dem Aufbau von Resilienz“. Letzteres ist der Grund, wieso die Bundeswehr Defender Europe 2020 tatkräftig unterstützt: Russland, allzu aufmüpfig geworden, soll umgehend zurechtgewiesen werden.
Die Vereinigten Staaten haben nun freilich – die National Security Strategy zeigt es im Überfluss – nicht nur einen großen Gegner, sondern deren zwei: Auch China, heißt es in dem Papier, fordere „amerikanische Macht, Einfluss und Interessen heraus“; es suche „die Vereinigten Staaten in der Indo-Pazifik-Region zu verdrängen“ und habe begonnen, „seinen Einfluss regional und global wieder geltend zu machen“. „Die Hauptpriorität“ der Vereinigten Staaten, heißt es explizit in der National Defense Strategy, die das Pentagon im Januar 2018 fertigstellte, sei „die langfristige strategische Konkurrenz mit China und Russland“. „Wir befinden uns“, so beschrieb es Mitte Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz US-Verteidigungsminister Mark Esper, „in einer Epoche der Großmachtkonkurrenz“, und „unsere wichtigsten Herausforderer sind China und dann Russland“. Deshalb müssten die USA sich „wieder vorbereiten auf hochintensive Kriegführung“.
Defender Europe 2020 trägt seinen Teil bei, indem es den Aufmarsch über den Atlantik hin zu einem der beiden Gegner mit Hilfe der europäischen Verbündeten probt. Für den Aufmarsch über den Pazifik hin zum anderen Gegner wird es Defender Pacific geben. In diesem Herbst zunächst in kleinem, im nächsten Jahr dann in ebenso großem Maßstab wie Defender Europe 2020 soll Defender Pacific die Verlegung von US-Truppen in Richtung China üben. Die Bedingungen sind andere – so ist der Weg über den Pazifik deutlich weiter, es gibt keine riesige Aufmarschrampe wie Europa, sondern vor allem Pazifikinseln, die man quasi als Trittstufen, und ost- und südostasiatische Verbündete, die man als Sprungbretter hin zur Volksrepublik nutzen kann. Details sind bislang nur wenige bekannt über Defender Pacific. Dass die strategische Bedeutung der Kriegsübung an diejenige von Defender Europe 2020 heranreichen wird, daran jedoch kann kaum Zweifel bestehen.