Der Unbeugsame

In Erinnerung an den Kommunisten, Antifaschisten und Widerstandkämpfer Peter Gingold, der am 8. März 100 Jahre alt geworden wäre, dokumentieren wir Auszüge aus seiner Eröffnungsrede zum Parteitag der DKP 2005.

Liebe Genossinnen und Genossen, dass ich den ehrenvollen Auftrag erhalten habe, den Parteitag zu eröffnen, betrachte ich als Würdigung der Kommunistinnen und Kommunisten meiner Generation, die gegen Faschismus und Krieg alles hingegeben haben. Für sie möchte ich sprechen, zumal unser Parteitag in dem Jahre stattfindet, in dem sich zum 60. Mal die Befreiung Europas von der Terrorgewalt des Nazifaschismus jährt – in erster Linie war er der Sieg der Sowjetunion über die Hitlerarmee.

In der Erinnerung der Bevölkerung an ihre Befreiungskämpfe gelten die Kommunisten als die Patrioten ihres Landes, bis in die Gegenwart hochgeachtet. Hier, in diesem Land, sind sie diskriminiert und ausgegrenzt. Im öffentlichen Bewusstsein existiert der deutsche Widerstand fast nur in Form des „20. Juli“, allenfalls wird noch die „Weiße Rose“ der Geschwister Scholl genannt. Der eigentliche Widerstand der einfachen Frauen und Männer, vorwiegend aus der Arbeiterbewegung, die meisten Kommunisten, wird bis in die jüngste Zeit verschwiegen. 1933 gab es 360.000 organisierte Kommunisten, jeder zweite wurde irgendwie belangt, verfolgt, verhaftet, gefoltert, Zehntausende waren in Zuchthäusern und KZs, Tausende kamen zu Tode. Dokumentarisch ist es belegt: Von den Menschen im Widerstand waren 85 Prozent Kommunisten, zwölf Prozent Sozialdemokraten, drei Prozent kamen aus bürgerlichen Kreisen.

Lassen wir nicht in Vergessenheit geraten, die KPD vor 1933 war die einzige Partei, die am klarsten die drohende Gefahr des Faschismus einschätzte und den Zusammenhang von Faschismus und Krieg herstellte. In meiner Erinnerung lebt, wie ich als Jungkommunist mithalf, mit Flugblättern, mit großen Lettern an den Wänden zu warnen: „Wer Hitler wählt, wählt den Krieg!“ und „Hitler bedeutet Krieg!“. In dem oft gesungenen Lied vom roten Wedding heißt es: „drohend stehen die Faschisten/drüben am Horizont“. Hatte doch der KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann in den letzten Jahren der Weimarer Republik versucht, die verhängnisvolle „Sozialfaschismusthese“ aus der Partei zu bringen und leidenschaftlich, jedoch vergeblich die Aktionseinheit mit den Sozialdemokraten angemahnt. Bei allen Irrungen und Fehlern – Irren und Fehler gehören zum Leben – wäre die Politik der KPD gefolgt, was wäre der eigenen Bevölkerung und der Welt erspart geblieben!

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"Der Unbeugsame", UZ vom 11. März 2016



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