Von Karrieren und Scheckbüchern

Der treue Lord Coe

Von Klaus Huhn

Ich habe jenen Augenblick aus dem Jahr 1980 noch gut in Erinnerung, obwohl immerhin acht Olympiaden oder 36 Jahre seitdem vergangen sind: Der britische Mittelstreckler Sebastian Coe beantwortete nach seinem 1500-Olympiasieg in Moskau Fragen der Journalisten. (Wer die damalige Situation schon vergessen haben sollte, sei erinnert: Auch Englands Regierung hatte die Spiele an der Moskwa aus politischen Gründen boykottieren wollen, aber der britische Leichtathletikverband war dagegen. Als den Athleten das Geld für die Flugtickets fehlte, sammelten englische Rentner auf den Straßen die nötige Summe). Coe in Moskau: „Wir bleiben Olympia treu!“

Seid umschlungen, Millionen.

Seid umschlungen, Millionen.

( Mohan, Doha Stadium Plus Qatar, wikimedia commons, (CC BY 2.0))

Irgendwann nach diesen Spielen erzählte mir ein gut informierter britischer Kollege, dass Coe zwar seine Laufschuhe an den berühmten Nagel gehängt hätte, aber weiter für das Unternehmen „startete“ – nicht auf der Tartanbahn, sondern in einem gut ausgestatteten Büro des Konzerns, der seine Sieg-Schuhe hergestellt hatte. (Ich verzichte darauf, den Namen der Firma zu erwähnen, weil das unbezahlte Reklame wäre.)

Der damals so olympiatreue Sebastian Coe begann – Gehalt von dem Konzern – auf der Funktionärsleiter nach oben zu steigen, bis er eines Tages Präsident des Europäischen Leichtathletikverbandes war und sogar gute Chancen zu haben schien, im Präsidentensessel des Weltverbandes Platz zu nehmen. Dort hockt er nun seit August 2015, nachdem er über acht Jahre Vize-Chef gewesen war. Alle Welt wusste von seinem Job bei dem Laufschuh-Konzern und wer es nicht wusste, erfuhr es spätestens, als er den Posten des „Botschafters“ des Unternehmens übernahm. Als der Wirbel um die Funktionäre des Fußballverbandes FIFA begann und die Staatsanwälte mobil wurden, riet man Coe, beim Konzern zu kündigen, zumal man ihm vorwerfen könnte, dafür gesorgt zu haben, dass die Weltmeisterschaften 2021 in Eugene – US-Staat Oregon – stattfinden, wo der Konzern seine Zentrale stehen hat. Also: Die WM auf dem Konzernhof.

Die nicht sonderlich konzernabholde „Frankfurter Allgemeine“ kommentierte das so: „Wenn Sebastian Coe gehofft haben sollte, seine Kündigung des Beratervertrages mit (…) lasse Kritik und Häme verstummen, denen er seit seiner Wahl zum Präsidenten des Welt-Leichtathletikverbandes (IAAF) ausgesetzt ist, hat er sich getäuscht. ‚Arroganter Lord Coe begreift einfach nicht, welchen Schaden er anrichtet‘, titelte die ‚Daily Mail‘. ‚Er schnallt’s einfach nicht.‘ (…) Nach der Sitzung des Councils der IAAF behauptete Coe, er gebe den mit angeblich 140 000 Euro dotierten Vertrag mit […] nicht deshalb auf, weil herausgekommen ist, dass er als Vizepräsident der IAAF mit einem Manager über die Vergabe der WM zum Jubiläum des Unternehmens an dessen Gründungsort gesprochen habe. Diese Vergabe der Titelkämpfe ohne Ausschreibung und ohne Bewerbung ist Teil der Ermittlungen der französischen Justiz wegen Korruption und Geldwäsche gegen den früheren IAAF-Präsidenten Diack.“

Coe hatte noch einige Kündigungen zu erledigen: Dem Vorstand hatte er nach Informationen von Reuters mitgeteilt, dass er das Appartement gekündigt habe, das im „Fairmont“, dem Fünf-Sterne-Hotel in Monte Carlo, ständig für den IAAF-Präsidenten reserviert war. Außerdem hatte er die Villa Miraflores im Zentrum von Monaco aufgegeben, die das Fürstentum dem IAAF-Präsidenten zur Verfügung gestellt hatte. Nicht aufgegeben hatte er Job und Appartments bei der Agentur Chime Sports Marketing (csm). Dort ist er „Geschäftsführender Gesellschafter“ und „vermittelte“ zum Beispiel die Europa-Spiele nach Baku.

Wer aber glaubt, dass sich die Kommerzialisierung des Sports in solchen Geschäften erschöpft, irrt gründlich. Zum Beispiel: Einer der Klitschko-Brüder verlor überraschend einen Boxkampf. Jetzt will er nach irgendwelchen „Regeln“ zwei Aufbaukämpfe bestreiten und dann die Revanche. Hätte er – wie erwartet – gewonnen, wären ihm die Einkünfte dieser drei Kämpfe entgangen. Kein Staatsanwalt der Welt könnte diesen Betrug nachweisen. Und die Zuschauer werden gläubig in Scharen zum Rückkampf strömen und an den Kassen erhöhte Eintrittspreise berappen.

Kein Zweifel: Der Sport droht in Scheckströmen zu ertrinken …

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"Der treue Lord Coe", UZ vom 11. Dezember 2015



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