Bei den Wahlen in Thüringen wird die AfD noch stärker. Sie wird weiter wachsen bis es für die anderen bürgerlichen Parteien praktisch unmöglich wird, ohne sie zu regieren. Das könnte dazu führen, dass die anderen Parteien ihre heuchlerische Anti-AfD-Rhetorik aufgeben. Vielleicht hören wir bald schon das Argument, es sei besser, mit der AfD zu regieren, um sie kontrollieren zu können. Das größte Hindernis für die AfD, dieses Ziel zu erreichen, scheint das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) zu sein. Weil „Die Linke“ bei diesen Wählern keine wichtige Rolle mehr spielt, hat das BSW die besseren Chancen, der AfD ein paar Proteststimmen wegzunehmen. Die Linkspartei wird als eine Partei des Establishments wahrgenommen. Insbesondere seitdem sie in Thüringen der Mehrheitspartner in der Regierungskoalition ist.
Die Wahlen in Thüringen sind ein überladenes Spiegelbild der Trends auf Bundesebene, wo sich der Aufstieg der AfD fortsetzt und das Debakel der „Linken“ bestätigt. In Thüringen und den östlichen Bundesländern allgemein ist dieses Bild aufgrund der Polarisierung viel deutlicher. Diese Polarisierung wiederum ist das Ergebnis der wirtschaftlichen Schwäche nach der Deindustrialisierung des Ostens, die mit dem Zusammenbruch des Sozialismus einherging. Der große Test für BSW werden nicht die Wahlen sein, sondern die Zeit danach. Wird das Bündnis eine Koalition eingehen? Und wenn nicht: Wie wird die Oppositionsarbeit aussehen?
Fakt ist, dass die erste und einzige von der „Linken“ geführte Rot-Rot-Grüne Landesregierung Regierung zum Ende kommt. Nur wenige Menschen werden sie vermissen, da sie sich von keiner anderen bürgerlichen Regierung unter Führung von CDU oder SPD wesentlich unterschieden hat. Wenn das alles ist, was von rot-rot-grün zu erwarten ist, dann wundert es nicht, dass dieses Szenario auf Bundesebene weiter von der Verwirklichung entfernt ist als je zuvor.
Wir Kommunistinnen und Kommunisten in Thüringen sind nicht glücklich über die Situation der „Linken“. Aber wir verstehen, dass sie ihr eigenes Unglück verursacht haben. Von ihrer Arroganz, nicht mit Parteien oder kämpferische Organisationen zusammen zu arbeiten, bis hin zu ihrer Annäherung an kriegsbefürwortende Positionen scheinen sie alles getan zu haben, um ihre treue Wählerschaft zu verprellen. Wieder einmal verwässert sich eine linke Partei in zentristischen Positionen in dem plumpen Versuch, von der Bourgeoisie akzeptiert und zum Regieren eingeladen zu werden. Eine unverantwortliche Haltung, insbesondere angesichts der Bedrohung durch eine Partei wie die AfD. Nun wird BSW an die Stelle der LINKEN treten und unsere Position muss kohärent bleiben: Kritische Begleitung. Solidarisch mitarbeiten und unterstützen, wo es gemeinsame Positionen gibt, und kritisieren und ablehnen, wo es nötig ist.
Auf der politischen Landkarte Deutschlands bahnt sich ein qualitativer Wandel an, und die östlichen Bundesländer, darunter auch Thüringen, geben erste Hinweise darauf, wie sie ihre Akteure neu aufstellen werden. Es ist unsere Aufgabe, wachsam zu bleiben und uns auf die neuen Bedingungen einzustellen.