Für den ehemaligen EU-Kommissar Verheugen ist das, was jetzt geschieht, ein Vorbote für den Sturm, der noch kommen wird („Das Duell bei n-tv“ am 21.9.2015): Der Zug der Flüchtlinge nach Europa hält weiter an und wird sich in den kommenden Wochen weiter verstärken – in den Kriegsgebieten, in den Flüchtlingslagern wird die Situation immer unverträglicher. Die Zerstörungen der Infrastruktur, der Vormarsch des IS und zunehmender Terror gegen Zivilisten, treiben nicht nur in Syrien immer mehr Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Die OECD verweist in einer aktuellen Studie darauf, dass eine Stabilisierung der Lage in Staaten wie Libyen, Afghanistan und Pakistan momentan ebenso wenig denkbar sei wie ein Ende des Kriegs in Syrien. Dennoch sei Europa nach Einschätzung der Experten gut aufgestellt, um den Ansturm zu bewältigen.
Das Flüchtlingshilfswerk der UN, die UNHCR, macht schon länger darauf aufmerksam, dass der UN nicht mehr genügend Geld für die Versorgung in den Lagern in den Nachbarländern zur Verfügung stehe.
Währenddessen wird jedoch auch die Situation der Flüchtenden, die sich auf dem Weg nach Österreich und Deutschland befinden, immer komplizierter und zugleich die Forderungen von europäischen Regierungsvertretern und von Politikern – wie in Deutschland aus der CSU –, die Grenzen nach EU-Europa ganz zu schließen, werden lauter. Die Ausweitung der militärischen Operationen der EU im Mittelmeer, die sich angeblich gegen Schleuser richten sollen und an dem auch die Bundeswehr mit bewaffneten Kräften beteiligt ist, wird forciert.
Ungarn macht dabei vor, wie es kurzfristig weitergehen könnte, baut nun auch die Grenze nach Kroatien aus, öffnet derzeit nur ab und zu „ein Ventil“ und will auf keinen Fall Flüchtende aufnehmen. Für Ungarns Premier Orbán sind die Hunderttausenden Flüchtlinge übrigens eine „brutale Gefahr“. Ungarn will künftig die Armee für die Grenzsicherung einsetzen. Deren Einsatz wurde am Montag in Budapest durch das ungarische Parlament mit den Stimmen der rechtskonservativen Regierungspartei Fidesz und der faschistischen Jobbik beschlossen. Das neue Gesetz erlaubt den Soldaten, an der Grenze Personen und Fahrzeuge anzuhalten und zu durchsuchen. Außerdem darf die Armee Schlagstöcke, Gummigeschosse und Fangnetze verwenden. Ein Schießbefehl ist (noch) nicht vorgesehen.
Slowenien schottet sich ab, während das Nachbarland Kroatien den Ansturm kaum bewältigt. Frankreich und Großbritannien verhindern gemeinsam, dass Flüchtende über den Euro-Tunnel auf die Insel kommen
10 Stunden feilschten am Montag die Botschafter der EU-Länder um die Umverteilung von 120 000 Flüchtlingen. Vergeblich. Am Dienstag folgte die Beratung der Innenminister, am Mittwoch die der Regierungschefs. Der Druck ist gestiegen, der Wille für eine wirkliche Lösung im Interesse der flüchtenden Menschen nicht.