Von April bis September 2018 zeigte das Kunstmuseum „Pablo Picasso Münster“ eine umfangreiche Ausstellung unter dem Titel „Picasso – Von den Schrecken des Krieges zur Friedenstaube“. Diese Ausstellung war Teil einer großen Herausforderung, die man in der Stadt des „Westfälischen Friedens“ angenommen hatte, nämlich Krieg und Frieden in Europa von der Antike bis heute darzustellen. Das einzige Picasso-Museum in Deutschland war und ist dabei wie kaum ein anderes dafür prädestiniert, sich diesem Thema zu widmen.
Der Spanische Krieg der 30er Jahre brachte auch Pablo Picasso dazu, seine künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten in den Dienst antifaschistischer Kämpfe zu stellen. Er galt schon lange als ein virtuoser Künstler, der Stile und Formen schnell wechselte, der innovativ mit den modernen Techniken der Malerei und der Plastik umging. Für ihn stand in der geschichtlichen Situation, in die sein Heimatland geriet, die Frage an, wie er seine Auffassungen von Kunst und Gestaltung in einen Einklang bringt mit der Forderung nach Verständlichkeit, wie kann er eingreifen in die Kämpfe seiner Zeit. Er gelangt zu der Erkenntnis: „Nein, die Malerei ist nicht dazu da, Wohnungen zu dekorieren. Sie ist eine offensive und defensive Waffe gegen den Feind.“ Sein Weg von dem Monumentalgemälde „Guernica“ 1937 bis zur „Friedenstaube“ für die KP Frankreichs 1949 wird in dieser Ausstellung an vielen Beispielen deutlich, dabei gelingt es, durch die Hereinnahme von Grafiken, Kupferstichen und Zeichnungen anderer Künstler, das Hauptthema variantenreich zu zeigen. Dürers „Ritter, Tod und Teufel“, Goyas „Die Schrecken des Krieges“ oder Bruegels „Der Triumpf des Todes“ sind als Leihgaben neben anderen Werken zur Ausstellung gekommen.
Der hervorragend gestaltete Katalog zur Ausstellung ist im Sandstein Verlag erschienen, großformatig, vierfarbig und in guter Druckqualität, kartoniert auf 120 Seiten.
„Das Zerstörerische, das sich über Spanien hermachte, wollte nicht nur Menschen und Städte, sondern auch die Ausdrucksfähigkeit vernichten.“ So Peter Weiss in seiner „Ästhetik des Widerstands“, als er über den Spanischen Krieg schreibt. Nach Jahren der Hoffnung, des Kampfes, aber auch des Verrats endete die Spanische Republik in Massakern, Hinrichtungen, Flucht und Vertreibung. Für die nächsten fast 40 Jahre litten die Menschen unter dem franquistischen Faschismus, Arbeiterparteien und freie Gewerkschaften waren verboten, Zensur und Bespitzelung gehörten zum Alltag für Intellektuelle und Künstler.
Im Februar 1936 hatte sich das spanische Volk demokratisch gegen den Faschismus und für die Republik entschieden. Vier Monate später putschten General Francisco Francos faschistische Militärs gegen die Republik. Unter der Schirmherrschaft von Hitler und Mussolinis flogen italienische Flugzeuge mit deutschen Waffen an Bord nach Spanien, wurden Fremdenlegionäre nach Spanien gebracht. Im Oktober gründete sich in Albacete die Zentralstelle für die Interbrigaden, die sich aus Spaniern, Italienern, Deutschen, Ungarn, Engländern und Angehörigen anderer Nationalitäten zusammensetzten. Mit veralteten Maschinengewehren und aus Konservenbüchsen gebastelten Handgranaten konnten sie Madrid gegen modernes Kriegsgerät und Bomber der Faschisten 29 Monate lang halten. Unter den Interbrigadisten befanden sich zahlreiche bildende Künstler, Komponisten und Schriftsteller.
In dieser Situation erhielt Pablo Picasso (1881–1973) den Auftrag für ein explizit politisches Bild. Er sollte für die spanische Republik ein kolossales Wandgemälde für den Pavillon der Pariser Weltausstellung im gleichen Jahr malen, um Front zu machen gegen Franco und den Krieg. Es wurde ein erdrückendes Szenario in Schwarz, Grau und Weiß, das das Bombardement auf Guernica durch die Flieger der deutschen Legion Condor zum Thema hat. Picassos Manifest gegen die Barbarei des Krieges und die spanischen Faschisten bedeckt eine Fläche von 27 Quadratmetern. Im kubistischen Stil ist eine symbolträchtige Tragödie zu sehen. Das hervorgehobene Pferd drückt das Leid aus, das durch die Brutalität eines Stiers ausgelöst wird. Enthauptete und Verstümmelte werden durch eine Lichtträgerin sowie eine Glühbirne erleuchtet, ein zerbrochenes Schwert mag vorzeitige Resignation ausdrücken, dass der Widerstand des Volkes durch den Fliegerangriff bereits gebrochen sei. Wer Guernica malt, sagt Heiner Müller, malt seinen Blick mit, den anklagenden Blick, der aus dem Bild herausschaut. Picasso hatte das Bild bewusst in den Dienst der Idee gestellt, sich als Künstler aus einer solchen Barbarei nicht heraushalten zu können.
Weitere bildende Künstler nahmen ebenfalls die Verpflichtung an, mit ihren Mitteln dem heldenhaften Kampf Ausdruck zu geben. Arno Rink verarbeitete Motive und Sehweisen eines Salvadore Dalí in seinem „Spanien 38“, Willi Sitte schuf Mitte der 50er Jahre sein großformatiges Bild über die „Thälmann-Brigade“, die Gedenkstätte für die deutschen Internationalisten in Berlin-Friedrichshain wird bestimmt durch die zentrale Plastik „Der Spanienkämpfer“ von Fritz Cremer aus dem Jahr 1968. Die großartige Nuria Quevedo, die mit ihren Eltern Spanien verlassen musste, schuf das Bild „30 Jahre Exil“, zu sehen in den Städtischen Kunstsammlungen Chemnitz. Es zeigt mit Bezug auf das Gedicht „In die Abende geneigt“ von Pablo Neruda steingraue, verlorene Gesichter von nicht näher beschriebenen Exilanten, Männer, Frauen und Kinder, die schwermütig den Betrachter anblicken. Auch hier die erwartungsvollen und gleichzeitig hoffnungslosen Blicke aus dem Bild heraus. Die Entstehungszeit weist auf das Ende des Spanischen Kriegs hin, Wolf Biermann verlegte die Szene 1975 musikalisch auf Chilenen, die vor Pinochet nach Deutschland geflohen sind.
Besonders in den Arbeiten von Schriftstellerinnen und Schriftstellern findet der Spanienkrieg seinen Niederschlag, geleistet durch Spanienkämpfer oder im Exil lebende Künstler wie Bertolt Brecht. Er rügte die Schauspielerin Ruth Berlau, weil sie statt in Spanien Material zu einem Stück zu sammeln, zum Gewehr gegriffen hatte. Die Bombenangriffe auf Guernica sowie 1937 Francos Seeblockade gegen Bilbao bilden die Kulisse für Brechts „Die Gewehre der Frau Carrar“. Dieser im dänischen Exil geschriebene Einakter thematisiert einen fehlgeleiteten Pazifismus, der keine Antwort bietet und erst nach schrecklichen Ereignissen sich wandelt. Teresa Carrar hatte ihren Mann selbst an die Front geschickt. Als dieser im Sarg zurückkommt, zieht sie sich in eine emotional reduzierte Neutralität zurück und verweigert ihren Söhnen die Herausgabe ihrer Gewehre, um diese am Kampf zu hindern. Erst als ihr älterer Sohn beim Fischen erschossen wird, zieht sie mit dem jüngeren Sohn und ihrem Bruder in die Schlacht. Der Kern des Stückes zeigt Diskussionen und Haltungen in dieser Zeit, also ob es hinnehmbar ist, den Faschismus kampflos zu erleiden oder für die demokratische und sozialistische Zukunft zu kämpfen oder womöglich tatenlos auf einen wie auch immer erträumten utopischen Sozialismus zu hoffen.
Bodo Uhse (1904–1963) und Eduard Claudius (1911–1976) waren Angehörige der Internationalen Brigaden. Uhses „Leutnant Bertram“ aus dem Jahre 1944 beginnt mit einer Dreiecksbeziehung am Vorabend des Spanischen Kriegs. Private Verwicklungen vermischen sich mit politischen Notlagen. Am Ende springt Bertram entgegen eines Verbots des faschistischen Vorgesetzten Harteneck mit dem Fallschirm über republikanischem Boden ab. Harteneck will den ehemaligen Freund abschießen, da ihm dieser nichts mehr nützt. Bertram landet verwundet bei seinen kommunistischen Gegnern, denen er seine Läuterung zu vermitteln sucht.
Eduard Claudius‘ „Grüne Oliven und nackte Berge“ thematisiert unter anderem die Frage des Tötens und den Konflikt in den Reihen der Brigaden, einen „Feigling“, der sich dem Kampf verweigern will, zu erschießen, oder ihm die Möglichkeit zu geben, zu seinem Klassenstandpunkt zurückzufinden. Ähnlich wie bei Brecht sind die Auseinandersetzungen zwischen denen, die meinen, es sei bereits alles verloren, und denen, die den Kampf nicht aufgeben wollen, der thematische Grundtenor des Romans. Eindeutig die Erkenntnis: Gegen Faschisten wird Gewalt zur Notwehr, denn „vom Reden ist noch niemand überzeugt worden“.
Alfred Kantorowicz (1899–1979) war in der XI. Brigade und schrieb in seinem „Spanischen Tagebuch“ über die Diskriminierung der Spanienkämpfer in Deutschland. In seinen akribischen Aufzeichnungen kommen auch die unorganisierten Anarchisten aus Katalonien zur Sprache.
Gustav Regler (1898–1963) war Politischer Kommissar der XII. Brigade, der Garibaldi-Brigade. Von ihm stammt das Buch „Das große Beispiel“, der Roman einer Internationalen Brigade. Sein Freund Ernest Hemigway schrieb das Vorwort. Dort heißt es: „Es gibt keinen einzigen Mann auf Erden, der nicht im Krieg geweint hätte, vorausgesetzt, er war lange genug dabei. Er (Gustav) hätte manches nicht mehr erleben müssen, was in der Folgezeit geschah und in Zukunft noch geschehen wird.“ Hier sind die Beschreibungen der Kampfvorgänge nicht wichtiger als Konflikte und Widersprüche innerhalb der Volksfront. Die Frage nach dem Klassenstandpunkt, die Reflexion der jeweiligen Motive, für faschistische Metzler oder doch lieber für die Republik zu kämpfen. Regler beschreibt die revolutionäre Stimmung in Madrid, Lieder und Tänze auf den Straßen, republikanische Fahnen und Barrikadenbau. Auch beschreibt er das Überlaufen von Soldaten aus den faschistischen Truppen zu den Volksbrigaden. Denn Proleten, die auf der Seite der Faschisten kämpfen, sind dennoch Proleten, die vielleicht lieber auf republikanischer Seite wären. Italienischen Gefangenen, die unter Mussolini auf Francos Seite gekämpft hatten, wird ähnlich wie schon im „Leutnant Bertram“ eingeschärft, sich darüber im Klaren zu sein, auf der Seite der Schlächter gekämpft zu haben. Sie müssen über sich als Arbeiter nachdenken, die gegen spanische Arbeiter vorgegangen sind. Nachdem ein Graben die Faschisten aufhalten konnte, äußert der laut Kantorowicz spätere Antikommunist Regler den Kern seines Buches: „Wir geben das Beispiel vom Mut nach der Niederlage, von Kameradschaft mitten in der Verwirrung, schaut, wie die Spanier uns folgen; wir können beinahe schon gehen, so stark ist unser Beispiel.“
Auch die Komponisten haben nicht nur am Klavier oder auf heimischen Bühnen gearbeitet und Freiheitslieder entworfen. Ernst Busch hielt sich 1937 und 1938 bei den Interbrigaden auf, gab Konzerte und spielte Schallplatten ein. Er schrieb den Text des „Hans Beimler-Liedes“ zu einer Volksweise, dichtete das Lied von den „Herren Generalen“ nach, die „uns verraten“ haben, und war am Text des Lieds „Am Rio Jarama“ beteiligt. Es beschreibt die militärisch schwache Position gegenüber den faschistischen Verbänden und die dennoch übermenschliche Durchhaltefähigkeit: „Mit Tanks und mit Fliegern, so griffen sie an, wir hatten nur Mut und Gewehre […] Wir deckten die Straße, wir schützten Madrid, wir hielten die Argandabrücke“. Obgleich Ernst Busch und Hanns Eisler sich zur selben Zeit in Spanien aufhielten, trafen sie einander nicht. Eisler komponierte neue Lieder in der XI. Brigade, der ersten überhaupt, die sich aus dem Thälmann-Bataillon und dem dritten französischen Bataillon „Commune de Paris“ zusammensetzte. Die Lieder führte Eisler mit singenden Brigadisten auf, die teils verwundet waren und heiser von der Kälte. Erich Weinert war Frontberichterstatter in Spanien, wo er das „Lied der Interbrigaden“ schrieb. Das berühmte Lied über die Thälmann-Kolonne „Spaniens Himmel breitet seine Sterne über unsern Schützengräben aus“ schrieb Gudrun Kabisch unter dem Pseudonym Paul Ernst zur Musik von Paul Dessau.
Auch wenn die Franco-Faschisten letztlich ihr verheerendes Regime für fast 40 Jahre halten konnten, so haben die Volksfrontkämpfer doch einen erheblichen Widerstand geleistet und Kraft geschöpft, weit auch über die damalige Zeit hinaus und bestimmt auch über die Kunst.