Ein Vorweihnachtsmärchen

Der Segen vom Himmel

Von Manfred Idler

Es lebte einmal auf einer Insel, die, geformt wie eine nasse Socke, im Nebelmeer liegt, eine alte Dame in einem alten Haus. Sie war wohlbekannt über die Strände des Eilands hinaus und ihr Name war Frau Lisbeth. Sie hatte, da nicht unvermögend, ein auskömmliches Leben gehabt, war rüstig bis ins hohe Alter, sorgte sich rührend um den geistig schon stark verwitterten Gatten und die zahlreiche Familie und nahm bei alledem, was einer Greisin den Tag schon zu füllen genügen könnte, immer noch öffentliche Aufgaben wahr.

Die Zeit nagt am Menschen wie an Immobilien und so kam’s, dass am Häuschen der beiden der eine oder andere Mangel auftrat: Das Mauerwerk lugte an vielen Stellen durch den bröckelnden Putz, Türen quietschten beim Öffnen, Fenster waren blind geworden, die Läden hingen schief in den Angeln und Zugluft gefährdete die Gesundheit der beiden Alten. 60 Jahre lang hatten sie Ausgaben für Erhaltung gescheut.

Dach und Fach zu erneuern schien vonnöten, so sann Frau Lisbeth über Abhilfe nach. Doch das Ersparte anzugreifen zögerte sie. Dabei dachte sie an die Zukunft der Kinder und Kindeskinder, denen – rechte Taugenichtse, die sie waren –, ein Erbe den Lebenspfad zu ebnen nötig sein würde.

Und wie sie so sann und die Stirn furchte in ihrer Gewissensnot, da riss der Himmel auf und die Dukaten prasselten gleich pfundweis auf sie hernieder. Dazu jauchzte ein Engelschor und übertönte das aufflammende Gezänk der Neider. Und Frau Lisbeth setzte Handwerker in Lohn, die ihr das Haus wieder schmuck machten, und sie hatte eine Freude und lebte zusammen mit ihrem Ehegespons ihre Tage bis zur Neige im erneuerten Gebälk.

Märchen haben oft einen realen Hintergrund. Hier ist es der folgende: Der Wohnsitz der britischen Monarchin Elizabeth II. und ihres Gatten Prinz Philip, Buckingham Palace, ist ebenso wie andere Residenzen des Paars marode. Daher hat die britische Regierung unter Theresa May einen Zuschuss von 350 Millionen Pfund zur Renovierung der Bauten in Raten von 35 Millionen pro Jahr über zehn Jahre gebilligt. Die „Royal Family“ kostet die britischen Steuerzahler bereits über 334 Millionen Pfund jährlich an Apanage.

Kritiker stoßen sich daran, dass der Zuschuss am selben Tag zugesagt wurde, an dem die diesjährige Spendenkampagne der BBC für „Kinder in Not“ begann. Öffentlichen Wohnungsbau gibt es in Britannien kaum noch. Städte und Gemeinden, die finanziell nicht mehr in der Lage sind, den sozialen Wohnungsbau zu finanzieren, haben in den letzten Jahren 3,4 Milliarden Euro ausgegeben, um Obdachlose in billigen Hotels und Notunterkünften unterzubringen.

Das Privatvermögen der Königin wird auf 340 Millionen US-Dollar geschätzt, der Grundbesitz der Krone auf einen Wert von 7,3 Milliarden Pfund. Dazu kommen Erträge aus dem Herzogtum Lancaster in Höhe von 472 Millionen Pfund. Die Queen ist von der Einkommensteuer befreit.

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"Der Segen vom Himmel", UZ vom 25. November 2016



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