Moskau und Washington versuchen ihre Beziehungen zu stabilisieren

Der schwere Weg zur Normalität

Turbulenzen im Weißen Haus. Wladimir Selenski ist bereit, die Ukraine zu verschleudern, um sich ein paar Monate Überlebenszeit zu erkaufen. Donald Trump fordert „sein“ Geld zurück. Wie in alten Zeiten des ordinären Dollar-Imperialismus. Nach dem Ersten Weltkrieg waren es die Reparationsforderungen gegen das Deutsche Reich. Nach dem Zweiten Weltkrieg die Land-Lease-Forderungen gegen das „befreundete“ Britannien und die alliierte So­wjet­union. In den 1970er Jahren waren es die Schulden des Globalen Südens. Die USA verleihen Geld, um ihre Schuldner zu ruinieren und ihre Hegemonieposition zu festigen. Es hat also schon seinen Sinn, wenn die BRICS-Staaten versuchen, dem Dollar-Imperium zu entkommen, auch und gerade wenn Trump dagegen mit Zöllen von 100 Prozent droht.

Im Hintergrund beobachtet die russische Führung die Trump-Selenski-Eskalation. Das Fell des Bären, das hier verschachert wird, gehört weder dem illegitimen Präsidentendarsteller in Kiew noch dem rohstoffgierigen Oligarchen in Washington. Der US-ukrainische Rohstoffdeal hat die Sicherheitsprobleme Russlands eher verschlimmert. Washington erhebt Anspruch auf einen erheblichen Teil der Ressourcen der Ukraine. Die USA wären also weiterhin „drin“ – weniger militärisch, aber ökonomisch. Die logische Konsequenz heißt, so viel Distanz wie möglich zwischen sich und die atomwaffenfähigen US-Stützpunkte in Polen und Rumänien zu schaffen – und zu den in einer NATO-Ukraine zu erwartenden. Strategisch betrachtet: Je weiter der Westen nach Osten vorrückt, umso weiter im Westen muss die Grenze Russlands verlaufen.

Schon der Gedanke, es könne zu einer „Normalisierung“ der Beziehungen zwischen Washington und Moskau kommen, löst im Westen Panik aus. Seit 1917 ist hier „der Russe“ nur als kinderfressendes und frauenschändendes Monster vorstellbar. Nach der Niederlage unserer ersten „Friedensmission“ im Osten, 1945, drohte der „Iwan“ jeden Moment durch das „Fulda-Gap“ bis zum Atlantik durchzubrechen. Das ließ sich nur durch unsere Beschützer von der US-Army verhindern, die bereit gewesen wären, sich unter Einsatz ihres Lebens und einiger Atombomben vor die „asiatischen Horden“ zu werfen. Dieses überzeugende Narrativ hatte ab 1991 kurzfristig Sendepause, weil es nun darum ging, dem „guten Russen“, Boris Jelzin, unter die Arme zu greifen. Als der schließlich Platz machen musste für den „Ex-KGB-Mann Putin“, wurde nicht nur das alte Feindbild mit Hilfe von USAID neu aufpoliert, sondern auch die Verewigung der Unipolarität, der Weltherrschaft des US-Imperiums.

Francis Fukuyama hatte schon 1989 das „Ende der Geschichte“ verkündet. Zbigniew Brzezinski jubelte 1997 über die „einzige Weltmacht“. Der 11. September 2001 legitimierte – zumindest aus Sicht der „Bush-Krieger“ – den weltweiten Einsatz der US-Kriegsmaschine. Von nun an ging es wieder bergab mit den russisch-amerikanischen Beziehungen. Der Zweite Kalte Krieg stand an und wurde schlimmer als der erste. Am Ende kam es zum fast völligen Stillstand aller diplomatischen Kontakte zwischen den USA und Russland.

Als Wladimir Putin 2007 auf der Münchener Sicherheitskonferenz die US-Vorherrschaft in Frage stellte, war das im Westen ein Skandal. Die Antwort kam 2008 mit dem Versprechen, die Ukraine und Georgien in die NATO aufzunehmen. 2014 wurden in Kiew die passenden Machthaber an die Macht geputscht, Sanktionen gegen Russland verkündet und unter der Tarnung des Betrugs von Minsk I und II der NATO-Krieg gegen Russland militärisch vorbereitet. Um den Präsidenten Donald Trump kriegswillig zu machen, der im Wahlkampf 2016 verkündet hatte, gute Beziehungen zu Russland aufbauen zu wollen, wurde die Russiagate-Story in die Welt gesetzt. Für die Kriegsmedien spielt es bis heute keine Rolle, dass die ganze Erzählung von der russischen Wahlkampfeinmischung von vorn bis hinten erlogen war. Sie haben ihren Krieg gewollt und bekommen, Hunderttausende sind gestorben, die Ukraine ist ruiniert, die Reste werden verscherbelt.

Die Spannungen des Ersten und Zweiten Kalten Krieges hatten keineswegs immer bestanden. Bis Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich die Inte­ressensgebiete der beiden Großmächte kaum überschnitten. Für die USA waren das der Pazifik, Lateinamerika und die Karibik, für Russland die nördliche eurasische Landmasse. Das änderte sich erst in der Phase des entwickelten kapitalistischen Imperialismus, dessen innere Widersprüche dann zum ersten Weltkrieg und zur Oktoberrevolution führten.

In den US-Russland-Beziehungen heute gewissermaßen auf den Stand des 19. Jahrhunderts zurückkehren zu wollen, ist ein ambitioniertes Unterfangen. Die realen Inte­ressen widersprechen sich in weiten Bereichen. Nicht zuletzt in Bezug auf BRICS-Plus. Dennoch wäre der Versuch, den Konflikt in Osteuropa zu entschärfen, wenn schon zu nicht zu lösen, aller Mühe wert. Gleiches gilt für Trumps Vorschlag, die Aufwendungen für die strategische Atomrüstung um 50 Prozent zurückzufahren. Wenn die Erinnerung nicht täuscht, war so etwas noch nie von einem US-Präsidenten zu hören.

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"Der schwere Weg zur Normalität", UZ vom 7. März 2025



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