Klaus Wagener über Staatsterrorismus

Der Schurkenstaat

Was macht die Ermordung des iranischen Generalmajors Kassem Soleimani und des irakischen Hashd al-Shaabi Vize-Kommandeurs Abu Mahdi al-Muhandis besonders? Immerhin ermordete und ermordet das US-Imperium seit den Zeiten des Friedensnobelpreisträgers Barack Obama im Namen von Freedom & Democracy willkürlich tausende Menschen, vorwiegend im Nahen und Mittleren Osten. US-Präsidenten „arbeiten“ seither unverdrossen ihre Todeslisten ab und geben ihnen unbekannte Menschen, darunter auch US-Bürger, im Wortsinn für ihre Killer-Drohnen zum Abschuss frei. Das US-Mordprogramm ist zu einer täglichen Routine geworden. Weltweiter Mord, ohne jegliche juristische Konsequenz.

Das Neue ist, dass mit Abu Mahdi Al-Muhandis und in weitaus stärkerem Maße mit Kassem Soleimani höchste Kommandeure und wichtige Integrationsfiguren des Irak und des Iran ins Visier genommen wurden und dass Donald Trump ganz offiziell seine Verantwortung dafür erklärt hat. Die politischen Folgen dieses offiziellen Aktes von Staatsterrorismus sind gravierend. Der Mordanschlag hat einen Aufschrei der iranischen und irakischen Bevölkerung zur Folge. Millionen waren bei den Trauerfeiern auf den Straßen. Das irakische Parlament erklärte die US-Truppen für unerwünscht. Widersetzt sich das Weiße Haus diesem Rauswurf, sind die US-Truppen in Irak ebenso unerwünschte Besatzer wie in Syrien. Die Stimmung in der Region wendet sich immer stärker gegen die US-Militärpräsenz. Während die zionistischen Rassisten in Jerusalem laut Beifall klatschen, wissen die wahhabitischen Saudis, dass sie, beziehungsweise ihre Ölförderanlagen nun unvermittelt ins Fadenkreuz geraten können.

Wie viel sind Zusagen des Weißen Hauses noch wert? Soleimani und al-Muhandis sind ganz offensichtlich von der US-Regierung in eine Falle gelockt worden. General Soleimani war mit Diplomatenpass in diplomatischer Mission nach Bagdad gekommen. Er sollte in Bagdad Gespräche zur Entspannung des Verhältnisses zwischen Teheran und Riad führen. Das Weiße Haus wusste von diesem Vorhaben und hatte dankbare Zustimmung signalisiert – um dann die Emissäre abzuschießen.
Soleimani wurde umgehend nach seiner Ermordung in den Kartellmedien zu einer Art asiatischem Blutsäufer, einem „Nummer-Eins-Terrorist in der Welt“ (Trump), einem „Monster, vergleichbar mit den Nazi-Holocaust-Anführern“ (Washington Post). Er habe „Hunderte Amerikaner umgebracht“, war allenthalben zu lesen. Seine Ermordung habe „einen Krieg verhindert“, so Trump.

In der Tat war der irakische Generalmajor ungewöhnlich erfolgreich. Im Kampf seiner Al-Kuds-Einheiten gegen IS, Al-Kaida und ihre diversen Ableger. Dass die Gefahr einer Übernahme von Bagdad und Damaskus durch die vom US-Imperium und seinen Golf-Vasallen hochgerüsteten Dschihadisten gebannt ist, ist nicht zuletzt Soleimanis Verdienst. Das war nicht das, was Washington mit seinen Halsabschneidertruppen vorhatte. Trump verkündete den „maximalen Druck“ gegen Iran. Soleimanis Verdienst wurde ihm zum Verhängnis.

Der Iran hat besonnen, aber auch eindrucksvoll reagiert. Er hat die US-Luftwaffenstützpunkte Al Asad und Irbil in Irak mit 22 ballistischen Raketen angegriffen. Dennoch machte Iran mit diesem erstmaligen Einsatz ballistischer Waffen klar, was er auch schon 2019 mit dem Abschuss der US-Global-Hawk-Drohne angedeutet hatte: es gibt keinen sicheren Ort für US-Kräfte und ihre HiWis in der Region.

Und ebenso gibt es keine Sicherheit für die saudische Ölproduktion und Öltransporte durch den Persischen Golf. Diese ernüchternde Botschaft vor Augen, verzichteten die Iran-Falken in Washington nach den iranischen Angriffen auf eine weitere Eskalation. Ob dieser Vorrat von Restvernunft allerdings lange hinreicht, muss leider bezweifelt werden.

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"Der Schurkenstaat", UZ vom 17. Januar 2020



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