Mazedoniens Flüchtlingspolitik hilft Brüssel – und der mazedonischen Regierung

Der Schlagstock der EU

Von Mosa Markovic

Das krisengebeutelte Griechenland muss die 10 000 Flüchtlinge von der mazedonischen Grenze fortschaffen und menschenwürdig unterbringen. Das schallt nicht nur von Berlin und Brüssel her, sondern auch vom Balkan, am lautesten aus Skopje. So frotzelte Mazedoniens Außenminister Nikola Poposki, wenn Athen schon an seiner Politik der offenen Grenzen gegenüber Geflüchteten festhalte, müsse es diese Menschen versorgen. Präsident Gjorge Ivanov schlug in dieselbe Kerbe, als er beim OSZE-Treffen in Rom für eine Luftbrücke plädierte. Hellas müsse von „Einwanderern und Flüchtlingen entleert“ werden, sonst werde sich eine humanitäre Katastrophe am Peloponnes ausbreiten, die zu einer Destabilisierung der gesamten Region führen könnte. Umso wichtiger sei ein Flucht-Korridor durch den europäischen Luftraum, um die Balkanroute zu entlasten.

Mazedonien hat zuletzt nur wenige hundert Menschen täglich über die Grenze bei Gevgelija und Idomeni gelassen, zeitweise durften nur Syrer durch. Die mazedonische Regierung ist nämlich wie die deutsche der Meinung, Afghanistan sei ein (mindestens in Teilen) sicheres Herkunftsland. Diese Auffassung spiegelt sich in Aktionen der mazedonischen Exekutive wieder. Bevor Ivanov nach Rom reiste, rissen Geflüchtete das Tor in einem Grenzzaun bei Gevgelija nieder. Dieser Tumult wurde rasch durch die Grenzpolizei zerstreut. Die Bilder der Aktion ähneln jenen, welche seit einem Jahr aus Mazedonien um die Welt gehen: Tränengas und Knüppel sausen auf Kinder, Schwangere, alte Männer nieder.

Die mazedonische Polizei ist für ihre Brutalität berüchtigt. In der Regel geht sie hart gegen Oppositionelle und Journalisten vor. Da sie aber in der Flüchtlingsfrage die Arbeit von Frontex erleichtert und dabei bald von österreichischen und deutschen Polizisten unterstützt wird, ignoriert die EU diese menschenrechtlichen Defizite des Balkanstaats.

Seit seiner Unabhängigkeit von Jugoslawien 1991 bemüht sich Mazedonien wie fast alle Balkanstaaten um die Westintegration. Sie läuft vor allem über das Militär und die bereits erwähnte Polizei. 1999 unterstützte man die NATO-Intervention im Kosovokrieg, zunächst diplomatisch, dann auch mit Offizieren. Später stellte Mazedonien Polizei- und Armeekräfte für die EUFOR-Mission in Bosnien, nahm mit insgesamt 490 Militärangehörigen am Irakkrieg teil und stellte zuletzt 39 Militärs für die Resolute Support Mission, die gegenwärtige Besatzungstruppe in Afghanistan.

Seit 2005 drängt vor allem die konservative Regierungspartei VMRO-DPMNE auf die EU-Integration. Mazedonien wurde in jenem Jahr offizieller Beitrittskandidat der Union. Das äußert sich in einem mehr oder minder bemühten Kampf gegen Korruption, der Öffnung der Märkte (Stichwort Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen), einer beschwichtigenden Politik gegenüber der albanischen Minderheit und der Anerkennung des 2008 für unabhängig erklärten Kosovo.

Die volle Westintegration wird dabei nicht durch die inländische Opposition (vor allem Sozialdemokraten, albanische Parteien und Studierende) blockiert. Freilich mokiert diese genug: Mazedonien plagen die große soziale Kluft und die damit verbundene Landflucht, eine elitäre Bildungspolitik, mangelnde Meinungs- und Pressefreiheit und eben Polizeirepression.

Doch der Schuh drückt woanders. Griechenland wehrt sich gegen die Selbstbezeichnung Mazedoniens als „Republika Makedonija“. Das Kerngebiet des historischen Makedonien lag in drei nordgriechischen Provinzen um Thessaloniki, die heute noch diesen Namen tragen. Hellas fürchtet bei einem NATO- und EU-Staat Makedonien um seine territoriale Integrität, trotz des Verzichts auf fremdes Staatsgebiet in der mazedonischen Verfassung. Die Forderungen von Ultranationalisten betreffen nicht umsonst diesen Landstrich: Mit dem griechischen Makedonien hätte Skopje Zugang zur Ägäis. Ergo verhinderte Athen 2008 per Veto die NATO-Aufnahme des Nachbarstaats. Das quittierte die konservative Staats- und Regierungsspitze in Skopje (Premier Nikola Gruevski, Ivanov und Poposki gehören allesamt der VMRO an) mit kitschigen Großbauprojekten in der Hauptstadt. Auf dem zentralen Platz erhebt sich nun eine Reiterstatue Alexanders des Großen, gesäumt von überlebensgroßen Figuren und Fontänen. Der Hauptstadt-Flughafen wurde ebenfalls nach dem antiken Herrscher umbenannt. Um die Hellenen zu beruhigen, wird Mazedonien seit 1991 international als FYROM bezeichnet. Das englische Akronym steht für Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien.

Viel wichtiger als der mitunter komische Namensstreit ist jedoch die aktive Unterstützung des EU-Grenzregimes durch Skopjes Politik und Polizei. Indem es Flüchtlinge gewaltsam zurückwirft und willig in den Chor gegen Griechenland einstimmt, erhofft sich Mazedonien nicht ohne Grund eine schnellere Westintegration und den Sieg im Streit mit Athen. Skopje ist Brüssels Schlagstock.

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"Der Schlagstock der EU", UZ vom 11. März 2016



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