Propaganda erreicht absurdes Level. Medienzirkus warnt vor Bauschaum und Spionagedrohnen

Der Russe ist da

Das Investigativteam des „Spiegel“, Fachblatt für Heimwerkerbedarf und „Do it yourself“-Basteleien, wartete in der vergangenen Woche mit einer brisanten Story aus dem Bereich origineller Baustoffverwendung auf: „Auspuffrohre mit Bauschaum verklebt, Robert-Habeck-Sticker auf Scheiben gepappt. Deutschlandweite Sabotageserie offenbar von Russland gesteuert.“

Was der „Bild“-Zeitung im vergangenen Dezember noch als Akt wildgewordener Klimaaktivisten mit der „Aufforderung an den Minister, stärker das Klima zu schützen“, erschien, rief die Sonderermittler der Ulmer Kripo-Staatsschutzabteilung auf den Plan. Zugeschlagen hatte die Bauschaum-Bande in markanten Tatorten wie Blaustein, Langenau, Beimerstetten im Alb-Donau-Kreis und im Neu-Ulmer Stadtteil Offenhausen. Gemeinden, die nicht gerade dafür bekannt sind, im Zentrum der russischen Weltverschwörung zu stehen. Der ermittelte Schaden war mit 48 Euro je Fahrzeug selbst für Ulmer Verhältnisse wenig spektakulär. Noch nicht einmal einen antikapitalistischen Ansatz gab der Fall her, wählten die Täter die Fahrzeuge „offensichtlich wahllos in Größe, Alter und Modellen“ aus, wie sich der Regionalpresse entnehmen ließ.

Aber was wäre die bürgerliche Presse ohne ihre „namentlich nicht genannten Quellen“. Die Motivforscher der „taz“ deckten auf: „Sicherheitskreise verweisen darauf, dass solche Aktionen im Rahmen des Bundestagswahlkampfes nicht selten seien, um die Wahlergebnisse möglicherweise zu beeinflussen.“ Man müsse „davon ausgehen, dass ein Land wie Deutschland im Wahlkampf ein lohnendes Ziel ist“, vertraute Ralf Beste (Auswärtiges Amt) dem WDR an. Welche niederträchtige Organisation setzt Polyurethan zur Wahlmanipulation ein? Natürlich Moskau, das mit Schaum und blasslila Habeck-Klebern den Verdacht auf grüne Klimaaktivisten lenkt, um der geschundenen Partei und ihrem „Bündniskanzler“ die letztverbliebenen Wähler wegzunehmen. Klare Sache, das Bauschaum-Quartett, ein Deutscher, ein Serbe, ein Rumäne und ein Bosnier im zarten Alter von 17, 18, 20 und 29 Jahren, vom Kreml ferngesteuert – der Brüder Grimm „Rotkäppchen“ ist dagegen ein Tatsachenbericht.

Wem das nicht absurd genug ist, dem bietet sich 900 Kilometer nördlich, im beschaulichen Husumer Osten, gleich gegenüber von Aldi und Obi, allwöchentlich ein interessanteres Schauspiel. Seit dem 9. Januar werden über dem Gelände des Ausbildungszentrums Flugabwehrraketen (AusbZFlaRak) Drohnen gesichtet, deren „Größe und Flugbahn (…) auf professionelle Flugsysteme (hindeutet)“, heißt es in einem als Verschlusssache eingestuften Lagebericht des Berliner Ministeriums für Kriegsertüchtigung.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ist bereits alarmiert. Seit sechs Wochen liegt ein Kabinettsbeschluss zur Änderung des Luftsicherheitsgesetzes vor. Da ist zu lesen: „Aufgrund der hohen Leistungsfähigkeit der Drohnen ist es denkbar, dass die Flüge im Auftrag von fremden staatlichen Stellen durchgeführt werden.“ Bodengestützte Flugabwehr und der Einsatz von Kampfjets, um die Drohnen mit Lenkflugkörpern vom Himmel zu holen, lautet jetzt die Agenda. Heldenhafte Aktionen stehen bevor, solche wie am 8. Januar, als ein feindliches Flugobjekt, von der Nordsee kommend, sich Zutritt zum deutschen Luftraum erschlich. Alarm! Zwei Eurofighter stiegen auf und brachten einen unschuldig einschwebenden Wetterballon zur Strecke.

Nein, diesmal ist die Lage ernst im Himmel über Husum. Die „Süddeutsche Zeitung“ weiß das: Mindestens sechsmal in den letzten drei Wochen schwebten „die gesichteten Mehrflügler (…) mit eingeschalteten Positionslichtern minutenlang auf der Stelle“. Höchst merkwürdig: Die Vorstellung, wie deutsche Elitesoldaten der hier stationierten Patriot-Flugabwehrbatterie mit viel Muße gebannt in den Himmel schauen und sich Woche für Woche von gut beleuchteten Spionagedrohnen ablichten lassen. Trotz intensiver Ermittlungen durch Feldjäger, Polizei und Militärischen Abschirmdienst (MAD) fand sich keine Spur. Also war’s „der Russe“.

Der mediale Bedrohungspopanz dieser Machart verfängt zum Schrecken der Kriegsclaqueure in der Bevölkerung allerdings immer weniger. Der in der vergangenen Woche zur öffentlich-rechtlichen Nachrichtenlage von den Landesmedienanstalten präsentierte „Info Monitor 2025“ beklagt unter dem Titel „Wo Zweifel wachsen, schwindet Vertrauen“, dass 45 Prozent der Befragten ihren Glauben an die „etablierten Medien“ verloren haben. Noch schlimmer: „Skeptische und Ablehnende äußerten häufiger systemkritische Ansichten.“

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"Der Russe ist da", UZ vom 14. Februar 2025



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