Wieland Herzfelde und der Malik Verlag in Berlin

Der rote Verleger

Von Werner Abel

Der Präsident der Akademie der Künste der DDR, Otto Nagel (links) im Gespräch mit John Heartfield (2.v.l.) und Wieland Herzfelde über eine Fotomontage von Heartfield.

Der Präsident der Akademie der Künste der DDR, Otto Nagel (links) im Gespräch mit John Heartfield (2.v.l.) und Wieland Herzfelde über eine Fotomontage von Heartfield.

( Bundesarchiv, Bild 183-73744-0001 / Ulrich Kohls / Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE)

Das musste den Berliner Polizeipräsidenten in Rage bringen: Jesus mit Gasmaske und Soldatenstiefeln ans Kreuz genagelt, gekrönt mit dem Heiligenschein und dabei mit dem Symbol des Christentums in der linken, nicht von Nägeln durchbohrten Hand in segnender Haltung, und dann noch die Unterschrift „Maul halten und weiter dienen.“ Die Zeichnung von George Grosz, mit anderen erstmals gezeigt 1928 als Hintergrund bei der Uraufführung des „Schwejk“ auf der Piscator-Bühne, wurde im Malik-Verlag in der „Hintergrund“-Mappe mit einer Auflage von 10 00 veröffentlicht. Das war der Auftakt zu dem sich fast über drei Jahre hinziehenden „Blasphemie-Prozess“. 1932 waren dann Grosz und sein Verleger Wieland Herzfelde freigesprochen, aber die Vernichtung der Druckstöcke und der inkriminierten Blätter angeordnet worden. Herzfelde, immer in finanziellen Nöten, musste sich permanent gegen die Klassenjustiz verteidigen. Als der aus dem Baltikum stammende Harry Domela von monarchistischen Kreisen für den Hohenzollern-Prinzen Wilhelm gehalten wurde und er diese Verwechselung weidlich durch das Buch „Der falsche Prinz“ auskostete, entstand daraus zwar für den Verlag ein publizistischer Riesenerfolg, aber der Prinz klagte natürlich. Herzfelde sorgte auch dafür, dass das Werk Upton Sinclairs, damals noch Kapitalismuskritiker und Sozialist, dem deutschen Publikum bekannt wurde. Die Romane „Boston“ und „Petroleum“ erreichten hohe Auflagen, letzterer sogar eine Viertelmillion. Da es seitens der Staatsanwaltschaft eine beliebte Methode war, unbequemen politischen Texten Pornographie zu unterstellen, konterte Heartfield mit einer genialen Idee: Der Bestseller „Petroleum“ erhielt ein Lesebändchen in Form eines Feigenblatts mit der Aufschrift „Jedermann sein eigener Zensor!“ auf der einen und „Dem sittlichen Leser“ wird anheimgestellt, Stellen, die ihm gefährlich werden können, im Notfall mit diesem Feigenblatt zu bedecken.“ Nein, die Justiz schenkte den Maliks, wie die Brüder Wieland und Helmut Herzfelde oft genannt wurden, nichts. Dabei hätte niemand gedacht, dass die beiden Brüder, Helmut anglisierte seinen Namen aus Abscheu gegen den großdeutschen Nationalismus zu John Heartfield, als erklärte Kriegsgegner und Kommunisten der ersten Stunde den wohl erfolgreichsten linken Verlag in der Weimarer Republik betreiben würden.

Begonnen hatte es mit der Zeitschrift „Neue Jugend“, die immer wieder verboten worden war. 1917 schlug jemand vor, den Verlag nach dem Helden des Romans von Else Lasker-Schüler „Der Malik“ zu nennen. „Malik“, auch abgeleitet von dem hebräischen „Melech“, bedeutet Anführer oder Herzog, und man konnte dem Chef der Zensur, dem General von Kessel, erzählen, es handle sich um einen türkischen Prinzen, um einen Verbündeten Deutschlands in diesem 1. Weltkrieg. Die Täuschung gelang, der Verlag begann zu arbeiten, aber alle seine Zeitschriften wurden bald nach ihrem Erscheinen auch wieder verboten. Aber trotz der Rückschläge blieben die Buchproduktion ebenso wie der Erfindungsreichtum von Herzfelde erstaunlich. Immer wieder wurden neue Reihen in Angriff genommen, so die „Rote Romanserie“, die „Kleine revolutionäre Bibliothek“, die „Märchen der Armen“, die „Sammlung revolutionärer Bühnenwerke“, „Unten und Oben“, „Wissenschaft und Gesellschaft“ usw. Nicht unerwähnt bleiben dürfen die 20 Titel der „Kleinen Malik-Bücherei“ sowie das Gesamtwerk von Upton Sin-clair, das von Hermynia zur Mühlen, Elias Canetti, Paul Baudisch und Julian Gumberz übersetzt wurde. Aber auch auf die Klassenjustiz und den reaktionären Militarismus in der Weimarer Republik reagierte der Malik-Verlag mit den Büchern von Max Hoelz, Theodor Plivier, Ernst Ottwalt, Ludwig Turek, Leonhard Frank und Walter Müller. Besonderes Augenmerk aber galt der russischen und neuen sowjetischen Literatur. Der Malik-Verlag übernahm vom Ladyschnikow-Verlag die Rechte am Werk von Maxim Gorki. Dessen Gesamtwerk und die ebenfalls von Malik editierte Werkausgabe Leo Tolstois gehören zum Besten, was deutsche Verlage herausgebracht haben. Das neue, revolutionäre Russland erschien dann in den Büchern von Ilja Ehrenburg, Isaak Babel, Alexandra Kollontai, Konstantin Fedin, Wsewolod Iwanow, Lydia Sejfullina, Sergej Tretjakow und anderen. Bezeichnend auch, dass das letzte (1932) erschienene Malik-Buch, F.  C.Weiskopfs Bericht über seine Reise durch die Sowjetunion, den Titel „Zukunft im Rohbau“ trägt.

1933 konnte Wieland Herzfelde in letzter Minute das nationalsozialistische Deutschland verlassen. Umtriebig wie er war, versuchte er zunächst in der CSR, dann in England seinen Verlag wieder zu aktivieren. Obwohl die Schwierigkeiten immens waren, konnte er doch die Literaturzeitschrift „Neue deutsche Blätter“ in dem eigens dafür gegründeten Faust-Verlag erscheinen lassen. Die Bücher hatten nun im Impressum neben „Malik, Berlin“ den hoffnungsvollen Zusatz „Direktion z. Z. Prag“. Aber die Nazis löschten den Verlag im Handelsregister und damit war der Name „Malik“ gefährdet. In der CSR erhielt Herzfelde Asylrecht, durfte aber keine Bücher verlegen. In England war das gerade umgekehrt. 1939 erschien dort mit Bertolt Brechts „Svendborger Gedichte“ das letzte Buch mit dem Malik-Signet.

Zu den Aktivitäten Herzfeldes im Exil gehörte auch sein wenig bekannter Vorschlag an die KPD-Vertretung in Moskau, dass der Malik-Verlag gemeinsam mit der von der Kommunistischen Internationale finanzierten „Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR“ (Vegaar) den größten deutschen Exilverlag gründet. Ironisch dabei sein Hinweis, die durch die Aufnahme von Nazi-Literatur pervertierte „Insel-Bücherei“ durch eine fortschrittliche „Festland-Bücherei“ zu ersetzen. Durch die Auflösung der Vegaar ist es dazu nicht gekommen. Herzfelde wäre nicht Herzfelde gewesen, hätte er aufgegeben. Ein Neubeginn fand im New Yorker Exil mit der Gründung des „Aurora“-Verlags statt. Das letzte Buch, das dort 1947 erschien, hieß „Morgenröte“ und war ein Lesebuch, das alle die Stimmen vereinte, die für ein neues, demokratisches Deutschland wichtig waren.

Die Bücher des Malik-Verlags sind nicht nur literarisch wertvoll, sie gehören auch zu den schönsten Büchern überhaupt. Herzfelde hatte Illustratoren wie George Grosz und Rudolf Schlichter gewonnen. Die Einbände und Umschlage wurden aber hauptsächlich von Heartfield gestaltet und Kurt Tucholsky schrieb 1932 in der „Weltbühne“: „Wenn ich nicht Peter Panter wäre, möchte ich ein Buchumschlag im Malik-Verlag sein. Dieser John Heartfield ist wirklich ein kleines Weltwunder.“

Ein weiterer Bewunderer war Brechts Lehrer Sergej Tretjakow, von dem 1936 zu lesen war: „Im Übrigen ist Wieland Herzfelde nicht einfach nur Herausgeber. Er ist Herausgeber und Organisator, Sammler der radikal eingestellten literarischen Kräfte.“

Am 23. November 1988 starb der 1896 geborene Wieland Herzfelde in Berlin (DDR).

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Der rote Verleger", UZ vom 16. November 2018



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Tasse.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit