Am 28. Juli endete nach über vier Jahren der TKP/ML-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht vorerst mit drakonischen Strafen. Zehn Kommunistinnen und Kommunisten waren angeklagt, aktive Mitglieder der Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten zu sein. Dafür wurden sie als Mitglieder einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“ nach dem Gesinnungsparagrafen 129 b verurteilt. Die höchste Strafe erhielt der als Rädelsführer bezeichnete Angeklagte Müslüm Elma mit sechs Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Die anderen neun Aktivisten wurden zu Haftstrafen zwischen zwei Jahren und neun Monaten und viereinhalb Jahren verurteilt.
Die TKP/ML ist weder in der BRD noch in irgendeinem anderen Land außer der Türkei verboten und steht auf keinen sogenannten Terrorlisten. Den Angeklagten werden auch keine konkreten strafbaren Handlungen angelastet. Dennoch war diese Verurteilung nach 234 Verhandlungstagen möglich. Dafür mussten sich das Oberlandesgericht und die Bundesanwaltschaft allerdings größte Mühe geben. So musste das Justizministerium eine eigene Verfolgungsermächtigung ausstellen, die eine Kriminalisierung nach Paragraf 129 b zulässt. Es folgten die internationale Razzia im April 2015, Auslieferungshaft für einige Angeklagte und jahrelange Untersuchungshaft. Müslüm Elma war über fünf Jahre in U-Haft, obwohl er bereits in der Türkei über 20 Jahre gesessen hat, entsprechend gesundheitlich angeschlagen ist und zu einer Corona-Risikogruppe gehört. Dem deutschen Staat und seinen Verfolgungsbehörden war das egal.
Mit diesem Urteil setzt sich das Unrecht in Bezug auf die Verfolgung der linken Exilopposition aus der Türkei fort. Es war schon fast egal, worum es im Einzelnen geht. Die Verurteilung stand fest. Es geht darum, das türkische Regime zu hofieren und am Leben zu erhalten. Dafür muss jede fortschrittliche Opposition klein gehalten werden. Dass erwartet Erdogan und er weiß, dass er seinen Willen bekommt. Zum Zweiten geht es um lupenreine Gesinnungsjustiz. Linke und Kommunistinnen und Kommunisten sollen sich nicht ungestört organisieren und die Missstände im Kapitalismus anprangern können.
Aus dem Prozess, der von vielen Pannen und Skandalen begleitet wurde, lässt sich aber auch lernen, dass Widerstand gegen die deutsche Justiz politisch erfolgreich sein kann. Die Angeklagten haben sich nicht beirren lassen und keine gefälligen Aussagen gemacht, sondern im Gegenteil ihre politische Haltung gezeigt und zahlreiche politische Erklärungen im Gerichtssaal vorgetragen. Sie haben damit erklärt, dass ihre politische Arbeit legitim ist und das bürgerliche Gericht sie zwar einsperren, aber nicht verurteilen kann.
Das Team der linken Verteidigerinnen und Verteidiger hat von Anfang an auf eine politische Verteidigung gesetzt. Es hat dargelegt, dass das türkische Regime aufgrund seiner diktatorischen Ausrichtung aus Sicht der BRD kein schützenswertes Objekt sein kann und der Paragraph 129 b ein Gesinnungsinstrument der Herrschenden ist. All das lässt sich in zahlreichen Veröffentlichungen auf dem Blog der Verteidigung nachlesen. Das war eine Prozessführung, die Schule machen sollte. Die Anwältinnen und Anwälte haben Revision eingelegt. Der Prozess ist also noch nicht vorbei und bedarf weiterer linker Aufmerksamkeit.