Dem Friedensnobelpreis-Gremium ist alles zuzutrauen – sogar die Ehrung von Friedensaktivisten kam bereits vor. Geht man die lange Liste von Preisträgern (und weniger -trägerinnen) durch, dann ist jedoch nicht zu übersehen, dass es oft weniger um Frieden, aber mehr um Kriegspolitik und einen effektiven Antikommunismus geht. Kissinger 1973, Sacharow 1975, Walesa 1983, Dalai Lama 1989, de Klerk 1993, Obama 2009, EU 2012, Santos 2016 sind Beispiele dafür. Der erste in dieser gleichermaßen unvollständigen wie unschönen Reihe war Präzedenzfall für zweierlei: Erstens für die Selbstdiskreditierung des Komitees, einem der Hauptschlächter, Mordbrenner und Vergifter Vietnams den höchsten Friedenspreis der Welt zu verleihen. Zweitens dafür, wie man damit umgehen sollte: Der vietnamesische Präsident Le Duc Tho als Ko-Geehrter nahm damals seinen Preis aus Protest gegen Kissingers Ehrung nicht an.
Nun haben die Fraktionsvorsitzenden von Sozialdemokraten, Grünen und Linken im EU-Parlament einen Vorschlag gemacht, der die Kriterien erfüllt und in das Schema passt. Die Deutschen Udo Bullmann, Franziska Keller und Gabi Zimmer sind der Meinung, dass „das Prespes-Abkommen ein Modell für die friedliche Lösung internationaler Probleme durch Dialog und gegenseitigen Kompromiss ist. Die Premierminister Zoran Zaev und Alexis Tsipras hatten den politischen Mut, das Abkommen trotz der nationalistischen Opposition durchzusetzen.“
Friedliche Lösung, Dialog, Kompromisssuche, stark gegen Nationalisten – da fragt man sich, warum der vierte Deutsche, der Vorsitzender einer der acht Fraktionen im EU-Parlament ist, nicht mit von der Partie ist. Womöglich muss Manfred Weber als Fraktionsvorsitzender der „Europäischen Volkspartei“ die Fraktionsmitglieder konsultieren, bevor er eine solche Erklärung abgibt. Wie genau das bei der „Sozialdemokratischen Partei Europas“ oder der „Europäischen Grünen Partei“ gehalten wird, war nicht Teil der Recherche für diesen Kommentar – wohl aber, wie es die GUE/NGL hält, die Fraktion der Linken im EU-Parlament. Gabi Zimmer, sonst auch schon mal für ihr mutiges Eintreten für die kubanische Opposition und andere Heldentaten an der Seite der Mächtigen bekannt geworden, hat demnach in der Fraktion nicht nach Bestätigung gefragt, sondern im eigenen Namen gehandelt und die Fraktionsmitglieder überrascht – oder auch nicht.
Gut gemacht, denn sie hätte jene Zustimmung wohl nur von den eigenen Kollegen von „Die Linke“ sowie von Tsipras’ Syriza-Abgeordneten bekommen. Es wäre nämlich den anderen nicht begreiflich zu machen gewesen, wie man darüber hinweggehen kann, dass das Prespes-Abkommen, also die Einigung zwischen Griechenland und der „Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien“, sich nun „Republik Nord-Mazedonien“ zu nennen, vor allem zwei Dinge bedeutet, die mit Frieden kaum mehr zu tun haben als Henry Kissinger: den NATO-Beitritt und den EU-Beitritt Mazedoniens; Reihenfolge egal.
Und dazu braucht es keinen „politischen Mut gegen die nationalistische Opposition“ – unterschlagen wird selbstredend die Opposition von links, also der KKE –, sondern ein Militärbündnis im Rücken, das beharrlich gen Russland vorrückt und dem eine 17-fache militärische Überlegenheit noch nicht genug ist. Tsipras ist dieser Kriegsvorbereitung mit der Bereitstellung von NATO-Militärbasen in der Ägäis und nun dem Geschenk Mazedonien stets zu Diensten, und Frau Zimmer sekundiert auf ihre Art, indem sie den Eindruck erweckt, sogar die Linkskräfte im EU-Parlament seien für eine Tsipras-Nobelpreisehrung.
Wie auch immer: Alexis macht’s! Eingedenk der bisherigen Preisträger muss man sich nämlich auch für 2019 auf den geeignetsten Kandidaten einstellen – und damit leben, dass die friedliebenden Bombardements diverser NATO-Staaten und Israels auf Syrien in Oslo nur auf Platz 2 und 3 landen.