Am 25. Oktober haben in der Ukraine Wahlen stattgefunden. Es ging dabei allerdings nicht um die zentralen Institutionen der Macht, sondern nur um örtliche und regionale Volksvertretungen. Dennoch wurde ihnen große Bedeutung beigemessen. Das hängt vor allem mit der instabilen politischen Lage in der Ukraine zusammen, aus der politische Beobachter bereits den Schluss ziehen, dass vorgezogene Neuwahlen des zentralen Parlaments und des Präsidenten wahrscheinlich werden könnten.
ist erneut von der Realität widerlegt worden.“
Kommunalwahlen haben ihre Besonderheiten, da örtliche Probleme und Persönlichkeiten dabei oft im Mittelpunkt stehen. Trotzdem lassen sich aus allgemeinen Tendenzen, die dabei sichtbar werden, durchaus gewisse Rückschlüsse ableiten. Bei den Wahlen am 25. Oktober sind vor allem vier Tendenzen deutlich geworden:
Erstens. Das Vertrauen in die Politiker und Parteien, die im Gefolge des Staatsstreichs vom Februar 2014 an die Regierungsmacht gehievt wurden, ja in die Politik überhaupt, nimmt ab. Ausdruck dafür ist vor allem die geringe Wahlbeteiligung. Nach offiziellen Angaben haben landesweit weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten, genauer nur 46,6 Prozent, ihre Stimme abgegeben. Dabei treten große regionale Unterschiede hervor. Während im Westen etwa 56 Prozent gewählt haben sollen, waren es im Osten und Südosten meist deutlich weniger als 40 Prozent. Besonders gering war die Wahlbeteiligung in den Teilen der Gebiete Donezk und Lugansk, die noch von den Kiewer Machthabern kontrolliert werden. Dort gaben nur 31,65 Prozent bzw. 35,27 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In mehreren Städten und Gemeinden wurde die Wahl mit unterschiedlichen Begründungen sogar abgesagt.
Zugleich ist es in zahlreichen Städten und Gemeinden sowohl in den Räten wie auch bei der Bürgermeisterwahl zu nennenswerten Veränderungen der Gewichte zwischen den Parteien und Wahlblöcken gekommen. Besonders auffällig dabei ist, dass der „Oppositionelle Block“, der im Wesentlichen aus früheren Anhängern der „Partei der Regionen“ des Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch besteht, sowie ehemalige „Regionale“ in anderen Zusammenschlüssen überraschend erfolgreich waren. Das gilt besonders in den früheren Hochburgen der „Regionalen“ im Osten und Südosten.
Im Westen war die nationalistische Partei „Samopomoschtsch“ des Bürgermeisters von Lwow, Andrej Sadowy, der wahrscheinlich seinen Posten als Stadtoberhaupt mit 48,6 Prozent verteidigten konnte, erfolgreich. Hier erreichte auch die faschistische „Swoboda“ beachtliche Ergebnisse. Sie siegte z. B. in Iwano-Frankowsk. Im Gebiet Lwow belegte sie mit 12,56 Prozent den zweiten Platz hinter dem „Block Poroschenko“, der nach bisher vorliegenden Angaben 23,37 Prozent der Stimmen erhielt. Der Poroschenko-Block führt auch in der Mitte des Landes. Das gilt besonders für Kiew, wo Witali Klitschko in der ersten Runde der Bürgermeisterwahl die meisten Stimmen bekam, allerdings die absolute Mehrheit verpasste.
Zweitens. Die ausgeprägten regionalen Unterschiede in der politischen Orientierung der Wähler zeigen, dass es sich bei den Schlagworten von der „einheitlichen Ukraine“, die die Kiewer Machthaber und ihre Propagandaorgane unermüdlich verbreiten, um nichts anderes als einen Mythos handelt, der erneut von den Realitäten widerlegt wurde.
Die Ukraine ist seit dem Auseinanderbrechen der UdSSR im Ergebnis der antisowjetischen Konterrevolution ein regional, ethnisch, kulturell und politisch tief gespaltenes Land. Und diese Spaltung hat sich mit und seit dem Februarputsch 2014 weiter vertieft. Das wird auch von vielen russischen Politologen und Journalisten so gesehen. Der Direktor des Instituts für moderne staatliche Entwicklung, Dmitri Solonnikow, erklärte z. B.: „Wie wir sehen, haben selbst der Euro-Maidan und die folgenden Ereignisse, der riesige Druck durch Medien und Politik und sogar die physische Verfolgung prorussischer Aktivisten nicht dazu geführt, dass die Ukraine einheitlich geworden ist. Es ist nicht gelungen, um die Idee der europäischen Integration und des Losreißens von Russland herum einen einheitlichen Staat zu errichten. Die traditionelle Teilung in östliche und westliche Regionen ist geblieben.“
drückt sich auch im Kampf um die Kontrolle der Rathäuser aus.“
Drittens. Regionalwahlen waren in der Ukraine seit der „Unabhängigkeit“ im Zuge der Konterrevolution „immer auch ein Instrument der Umverteilung der Einflusssphären zwischen den Oligarchengruppen“, wie der Journalist Juri Gorodnenko in der „Swobodnaja Pressa“ vom 29. Oktober feststellt. „Die Magnaten“, so heißt es in dem Artikel, „teilten die Abgeordnetensitze in den Räten unter sich auf, und entschieden, wer Bürgermeister in den großen Städten werden sollte. Wenn es Konflikte gab, wandte man sich in der Regel um Unterstützung an den Präsidenten, der selbst Vertreter einer der einflussreichsten Finanzgruppen war.“
Hier hat sich nach Meinung Gorodnenkos dadurch etwas verändert, dass sich inzwischen derart gewaltige Widersprüche zwischen den Finanzgruppen entwickelt haben, in deren Gefolge regelrechte Wirtschaftskriege zwischen den Oligarchen ausgefochten werden, die den bisherigen Mechanismus weitgehend unmöglich machen. Der Hintergrund dafür ist der Verlust der Absatzmärkte in Russland und die fehlende Kompensation der Verluste von Seiten der EU, so der Autor.
Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass die Oligarchen darauf verzichten, bei örtlichen Wahlen ihre Marionetten zu Abgeordneten und Bürgermeistern zu küren. Ganz im Gegenteil. Allerdings im erbittertem Gegeneinander mit den feindlichen Oligarchenclans. Die für die Leser bekanntesten Feinde unter den Oligarchen sind sicher Kolomojski und Poroschenko. Diese Feindschaft fand auch bei den Wahlen vom 25. Oktober ihre Fortsetzung. Im Ergebnis sicherte sich Poroschenko seinen Einfluss vor allem in vielen Parlamenten und Rathäusern der oben genannten Regionen, während unter der Kontrolle Kolomojskis stehende politische Kräfte in den Gebieten Dnjepropetrowsk und Charkow führend sind.
Viertens. Wahlen und die Fälschung ihrer Ergebnisse gehören seit der „Unabhängigkeit“ der Ukraine zusammen. Da bildet auch der jüngste Urnengang keine Ausnahme. Überfälle auf Kandidaten, Stimmenkauf, Probleme bei der Registrierung sowohl der Kandidaten wie der Parteien, geschlossene Wahllokale, eine unzureichende Zahl von Stimmzetteln an der einen und „Reserven“ an der anderen, all das gehörte auch diesmal dazu. Und wo das alles den Wahlsieg unerwünschter Kandidaten nicht verhindern konnte, da verschwanden die ausgefüllten Wahlzettel oder wurden gar nicht erst ausgeliefert, wie in der Hafenstadt Mariupol, wo sich ein eindeutiger Wahlsieg des „Oppositionellen Blocks“ abzeichnete.
Das alles hinderte den USA-Botschafter in der Ukraine allerdings nicht daran, noch vor Bekanntgabe der Wahlergebnisse der Zentralen Wahlkommission der Ukraine zu den „demokratischen Wahlen“ zu gratulieren, ebenso wie die Beobachtergruppe der OSZE, die den Wahlen einen Tag danach einen „ordnungsgemäßen Verlauf“ bescheinigte.