3. Oktober 1918: Die deutsche Regierung ersucht um Friedensverhandlungen

Der militärische Zusammenbruch

Von UZ

Am 3. Oktober 1918 sandte die gerade erst eingesetzte deutsche Regierung unter Max von Baden, an der die Mehrheitssozialdemokraten beteiligt waren, als erste ihrer Handlungen ein Schreiben an den US-Präsidenten Woodrow Wilson. In diesem fordern sie die Regierung des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika auf, „die Herstellung des Friedens in die Hand zu nehmen, alle kriegführenden Staaten von diesem Ersuchen in Kenntnis zu setzen und sie zur Entsendung von Bevollmächtigten zwecks Anbahnung von Verhandlungen einzuladen. (…) Um weiteres Blutvergießen zu vermeiden, ersucht die deutsche Regierung den sofortigen Abschluss eines Waffenstillstandes zu Lande, zu Wasser und zu Luft herbeizuführen.“ (Zitiert nach: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 3, S. 466)

Damit sollte ein Frieden erreicht werden, der wenigstens die Eroberungen im Osten, Elsass-Lothringen und die deutschen Kolonien sichern sollte. Bereits am 28. September hatte General Erich Ludendorff, Erster Generalquartiermeister in der Obersten Heeresleitung des Kaiserreiches, Generalfeldmarschall Hindenburg vorgetragen, dass „ein Waffenstillstand erbeten werden müsse“. Hindenburg antwortete, er sei zum gleichen Ergebnis gekommen. (Ebenda, S. 465) Am 29. September erklärte Ludendorff vor dem Kronrat, dass der Krieg verloren sei und die verzweifelte Lage des Heeres einen sofortigen Waffenstillstand erfordere. (Ebenda, S. 68)

Auch den führenden Politikern war zu diesem Zeitpunkt endgültig klar, dass der Krieg verloren war. Zur Weiterführung der Kampfhandlungen im Westen fehlten die Reserven. Doch vor allem die Stimmung in den Truppenteilen und die ökonomische wie politische Situation im Hinterland hatte sich weiter verschlechtert. Desertionen häuften sich. Die herrschende Klasse versuchte, mit allen Mitteln die Macht zu sichern – nicht nur durch die Einleitung von Friedensverhandlungen, sondern auch vermittels parlamentarischer Reformen und propagandistisch durch die – wie in den Aprilstreiks 1917 und den Januarstreiks 1918 – anhaltende Verleumdung streikender Arbeiterinnen und Arbeiter als „Verräter“ an den Frontsoldaten.

Dabei hatte es nach den großen Januarstreiks Anfang 1918 kurze Zeit noch so ausgesehen, also ob das deutsche Kaiserreich nicht nur die Lage im Inneren „in den Griff“ bekommen, sondern auch das Kriegsgeschehen im Westen noch einmal zu seinen und seiner Verbündeten Gunsten wenden könnte. Im Osten waren Sowjetrussland nach der Oktoberrevolution und dem Vertrag von Brest-Litowsk sowie das rumänische Königreich als Gegner aus dem Kriegsgeschehen ausgeschieden. In Italien hatte man gemeinsam mit Österreich-Ungarn gewisse Erfolge erreicht. Kräfte wurden frei, um – nach Überzeugung der Obersten Heeresleitung – die Situation an der Westfront zu ändern, vom Stellungskrieg in die Offensive überzugehen. Die Planungen dafür waren bereits im November 1917 erfolgt.

Am 21. März begann die erste deutsche Frühjahrsoffensive an der Westfront. Diese ersten Angriffsbemühungen kamen für die Entente-Mächte noch völlig überraschend, so dass die deutschen Truppen zunächst große Anfangserfolge erreichten. Doch die Offensive lief sich fest, weitere Durchbruchsversuche bis Mitte Juli blieben ebenfalls erfolglos. In diesen Kämpfen wurden nach offiziellen Angaben 181694 deutsche Soldaten verwundet, 35163 verloren ihr Leben, vermisst wurden 22701.

Am 9. April begann im Raum um Armentières die „Operation Georgette“. Diese Offensive (die Vierte Flandernschlacht) endete am 29. April mit einem Patt. Eine weitere deutsche Offensive scheiterte an der Aisne (27. Mai bis 6. Juli). Am 15. Juli begann eine weitere deutsche Offensive beiderseits Reims. Diese wurde unter schweren Verlusten von den Alliierten zurückgeschlagen. Drei Tage später begann eine Gegenoffensive, durch die die deutschen Truppen auf die Linie vor der Frühjahrsoffensive zurückgeworfen wurden. Am 8. August durchbrachen die Allierten am ersten Tag der Schlacht bei Amiens die deutschen Linien. Erich Ludendorff bezeichnet diesen Tag später als „Schwarzen Tag des deutschen Heeres“. Die Schlacht leitetete die kriegsentscheidende Hunderttageoffensive ein.

Diese letzten Versuche, das „Kriegsglück“ zu wenden, kosteten nicht nur vielen Hunderttausenden Menschen auf beiden Seiten das Leben oder die Gesundheit, sie verschlechterte auch die Versorgungslage im Hinterland noch weiter. Am 27. September 1918 durchbrachen die Truppen der Entente die sogenannte Siegfriedstellung, die stärkste militärische Befestigungsanlage der Deutschen im besetzten Frankreich. Ende September 1918 stand das deutsche Kaiserreich damit unmittelbar vor dem militärischen Zusammenbruch, auch die innenpolitische Situation wurde immer angespannter.

Wladimir Iljitsch Lenin schrieb am 3. Oktober 1918 völlig richtig, in Deutschland sei „eine politische Krise“ ausgebrochen, die „entweder den Beginn der Revolution“ bedeute oder ankündige, „dass die Revolution unvermeidlich ist und nahe bevorsteht“. (LW, Bd. 28, S. 90)

In der Erklärung der illegal tagenden Reichskonferenz des Spartakusbundes hieß es am 7. Oktober 1918: „Wir sind in die letzte Periode des Krieges eingetreten. Nach 50 Monaten zeigt sich sein Werk (…) Dieses Resultat des Krieges hat in allen Ländern der Welt nicht nur die objektiven Grundlagen der Revolution verstärkt, sondern den Zeitpunkt des unmittelbaren Beginnens der Revolution herangeführt.“ (Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 3, S. 466 bis 477)

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"Der militärische Zusammenbruch", UZ vom 5. Oktober 2018



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