Ein erneuter Höchststand wurde beim weltweiten CO2-Ausstoß im Jahr 2023 berechnet. Mit ungefähr 37 Gigatonnen erreichte er denselben Wert wie im Jahr zuvor oder – je nach Zählweise – 1 Prozent mehr. Das Ziel, die weltweite Klima-erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ist damit kaum mehr zu erreichen. Selbst eine Begrenzung auf 2 Grad Celsius erscheint mittlerweile fraglich.
Die Erfahrungen der Vergangenheit ließen anderes erwarten. Die Aktivitäten zur Begrenzung des Ozonlochs – es war durch den Einsatz bestimmter Kühlmittel entstanden – und des Waldsterbens aufgrund der Schwefeldioxidbelastung Ende des 20. Jahrhunderts waren sehr erfolgreich verlaufen. Doch stand damals die rasante Ausweitung der Globalisierung erst am Anfang und die westlichen Industriestaaten fühlten sich noch als Herren der Lage. Die Schwefeldioxidbelastung war regional begrenzt, die Kühlmittel waren auf bestimmte Einsatzzwecke beschränkt. Die CO2-Emissionen dagegen kommen aus dem Kern der Wirtschaft der Industriestaaten. Energie und Transport, Chemie- und andere Industrien setzen gewaltige Mengen an CO2 frei.
Gerade der rasante Fortgang der Globalisierung nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten im Osten Europas, die Ausweitung des Einsatzes von Kohle, Öl und Erdgas, der Aufstieg vor allem der Wirtschaft der VR China und anderer Schwellenländer ließen die CO2-Emissionen ansteigen – und verhinderten zugleich Maßnahmen zu ihrer Beschränkung. Wo internationale Kooperation zur Begrenzung der Erderwärmung nötig wäre, gibt es stattdessen eine zunehmende Konkurrenz. US-Sanktionen und Zölle – die der behaupteten Freiheit des Marktes entgegenstehen – formen einen Wirtschaftskrieg, der Übergang zu einem militärischen Krieg ist nicht ausgeschlossen. Das erschwert eine internationale Zusammenarbeit in vielen Fragen.
Dennoch scheinen die wichtigsten Vertreter von Wirtschaft und Politik in einem Punkt einig zu sein: Der Markt soll es richten. Nachdem die „Kräfte des Marktes“ das Problem erst geschaffen hatten, sollen sie es nun aus dem Weg räumen: Das Zauberwort heißt „ETS“ (Emission Trading System – Emissions-Handelssystem). Verursacher von Emissionen brauchen Zertifikate, die ihnen die Emission erlauben. Gegebenenfalls müssen sie ihre Emissionen verringern – oder aber Zertifikate zukaufen. Die Freisetzung von CO2 würde teurer, das soll einen Anreiz zur Reduktion schaffen.
Solche Systeme gibt es in etlichen Ländern, darunter die Länder der EU und einzelne Staaten der USA und Kanadas. Das größte dieser Systeme ist das „nationale chinesische Kohlenstoff-Handelssystem“. Es untersteht dem Ministerium für Ökologie und Umwelt und wurde 2021 in Kraft gesetzt, nachdem zuvor für einige Jahre entsprechende Systeme auf regionaler Ebene erprobt worden waren.
Das chinesische ETS betraf zu seinem Beginn 2021 Kraftwerksanlagen, die für 40 Prozent der Emissionen verantwortlich sind. Später sollen darüber hinaus die Emissionen der sechs wichtigsten Industrien begrenzt werden. Die Zertifikate wurden nicht etwa versteigert, sondern kostenfrei abgegeben. Der „Marktpreis“, der sich einstellte, lag weit unter dem vergleichbarer Systeme in der EU.
In der VR China werden die Ergebnisse des ETS positiv gewertet, doch greift diese Beurteilung zu kurz. Viele Kohlekraftwerke waren in einem Zustand, der modernen Standards nicht standhielt. Die nötigen Modernisierungen und die Erhöhung der Effizienz hätten auf jeden Fall zu einer Verringerung der CO2-Emissionen geführt. Es ist in vielen Fällen nicht möglich, eine Reduktion der Emissionen dem Einsatz von ETS oder anderen Faktoren zuzuordnen. Dies gilt nicht nur für die VR China, sondern wird als grundsätzliche Kritik am Emissionshandel formuliert. Auch die kostenfreie Erstausgabe von Emissionslizenzen – wie sie noch jetzt für einen Teil der Lizenzen in der EU gilt – kann unter Umständen eher als Subvention der Empfänger gesehen werden und weniger als Mittel zur Begrenzung der Emissionen.
Eine weitere grundsätzliche Kritik am ETS-System stellt fest, dass damit immer der einfachste und kurzfristig erfolgreichste Weg zur Verringerung der Treibhausgase eingeschlagen wird. Dieser Weg ist aber nicht unbedingt derjenige, der eine nachhaltige und umfassende Reduktion erreicht.
Und schließlich gilt: Ohne ausreichende Regulierung und Kontrolle wird der Zertifikatehandel leicht zu einem Sumpf, der Raum für unüberprüfbare Manipulationen lässt. Das „Corporate Europe Observatory“ – eine NGO, die den Einfluss von Großunternehmen und ihren Lobbyisten auf Entscheidungen der EU untersucht – listet eine Reihe von akademischen Untersuchungen auf, die zeigen: Immer wieder gibt es Firmen, die „Kohlenstoffkosten“ an ihre Kunden weitergegeben haben, die es in Wirklichkeit nie gab. Eine Handvoll Großunternehmen hätte damit Dutzende Milliarden Euro unlauter kassiert.
Den Klimawandel zu bremsen ist eine Aufgabe, die unter starkem zeitlichen Druck steht. Werden Maßnahmen nicht rechtzeitig ergriffen – und danach sieht es aus –, wird es zu unaufhaltbaren Veränderungen kommen, die vor allem für die ärmeren Regionen der Welt katastrophale Zustände bedeuten werden.
Schätzungen der direkten Kosten des Klimawandels – für zusätzliche Energiekosten, volkswirtschaftliche Schäden, Verlust landwirtschaftlicher Flächen und notwendige Anpassungsmaßnahmen – belaufen sich auf die unvorstellbare Zahl von 12.000 Milliarden Euro weltweit bis zum Jahr 2050.
Das ist viel Geld – viel mehr als der Wiederaufbau Libyens, Syriens, Gazas, der Ukraine oder anderer zerstörter Länder zusammen kosten würde. Doch lassen sich mit der Begrenzung der Folgen des Klimawandels gute Geschäfte machen. Das zeigt nicht zuletzt eine Flut von Lobbyisten nicht nur aus der Öl- und Gasindustrie, die die UN-Klimakonferenz in Dubai heimgesucht hatten.
Und freilich werden die Kosten des Klimawandels umso schneller steigen, je länger der CO2-Ausstoß anhält. Was aber schwerer wiegt, sind die Kosten, die gegebenenfalls nicht beziffert werden – die Vernichtung unzähliger Tier- und Pflanzenarten, die Zerstörung der Lebensgrundlage von Millionen Menschen, Überschwemmungen wie in Pakistan oder die Versteppung weiter Gebiete.
Kann der Kapitalismus damit leben?
Immer mehr entwickeln sich die Produktivkräfte im Kapitalismus zu einer zerstörerischen Kraft. Schon 1972 stellte der – umstrittene – Bericht des „Club of Rome“ („Die Grenzen des Wachstums“) fest, dass selbst eine maximale Technologie die negativen Folgen nicht mehr kompensieren könne, wenn das Produktionskapital unbegrenzt weiter wächst. „Technische Lösungen allein können aus dieser Situation nicht herausführen“, hieß es damals. Es braucht eine gesellschaftliche Veränderung. Ist die „Harmonie zwischen Menschen und Natur“, wie es das chinesische Entwicklungsmodell vorschlägt, eine Lösung? Braucht es einen „Green New Deal“, also einen Kapitalismus, der umweltverträglich wächst? Oder müssen die 10 Prozent der Weltbevölkerung, die für 47 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich sind, Verzicht leisten? Diese Fragen werden in einem späteren Artikel behandelt.