Zur Ernennung Hariris zum Regierungschef

Der Mann fürs Grobe

Vor einem Jahr musste Saad Hariri als Ministerpräsident des Libanon unter dem Druck der Massenproteste gegen korrupte Seilschaften und Machtklüngel von seinem Amt zurücktreten. Ein neuer Ministerpräsident – Diab – sollte mit einer Regierung von Fachleuten Abhilfe schaffen. Für die Massenbewegung im Libanon ging das nicht weit genug. Die Demonstranten forderten einen Wandel, den die Regierung Diab, die von Hisbollah gestützt wurde, nicht leisten könne.

Überraschung – auch dem Milliardenerben Hariri und seinem Future-Movement ging die Regierung Diab in ihren Reformbemühungen nicht weit genug und auch sie verlangten in Straßenprotesten „echte Reformen“. Dann kam die Explosion im Hafen von Beirut, die Regierung Diab stürzte und der französische Staatspräsident Ma­cron hatte einen Plan: Reformen müssten her – Hisbollah müsse Farbe bekennen, ob sie die Interessen des Libanon vertrete oder die des Iran.

Anfang September traf sich Macron mit der Grande Dame der arabischen Kultur, der Sängerin Fairuz, um den Willen zur jetzt aber wirklich freundschaftlichen Hilfe für den Libanon zu demonstrieren. Flugzeuge und Marine unter der Trikolore repräsentierten Frankreich zu Wasser und in der Luft – und abends traf der ehemalige Investmentbanker Macron den (immer noch) Milliardär und Privatier Hariri. Womöglich hat Macron in seiner Privataudienz Hariri aus eigener Erfahrung berichtet, wie man mit einer Protestbewegung umgeht. Anfang Oktober meldete Hariri daraufhin seine Bereitschaft an, sich erneut wählen zu lassen. 65 Parlamentsabgeordnete wollen ihn zum Ministerpräsidenten machen, die Abgeordneten, die der Hisbollah nahestehen, enthielten sich. Ihr Ziel ist, den Staatszerfall zu verhindern, und sie machten gute Miene zum bösen Spiel.

Nach einem Jahr der Proteste gegen das korrupte System und die soziale Misere verkauft sich Hariri als die einzige Rettung. Wer könnte besser geeignet sein, jetzt endlich den erhofften Wandel zu erreichen als ein Milliardär, dessen Familie seit Jahrzehnten die Geschicke des Landes und die korrupten Netzwerke mitgestaltet. Und der unter dem Druck der Proteste vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten musste.

Hariri ist weder geläutert noch hat er der Korruption abgeschworen. Er ist einfach der Richtige für den Ausverkauf des Libanon in Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds. Die Protestbewegung hat den Wandel bisher nicht erreicht. Mit Hariris Ernennung wird sie noch dazu verhöhnt.

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"Der Mann fürs Grobe", UZ vom 30. Oktober 2020



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