Der lange Kampf

Lars Mörking über die Streiks bei Amazon

Mitten im Weihnachtsgeschäft legte sich die Gewerkschaft ver.di wieder einmal mit dem „Handels-Monster“ Amazon an – so bezeichnet Werner Rügemer den US-Konzern in seinem aktuellen Buch „Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts“. Kolleginnen und Kollegen der deutschen Versandzentren in Rheinberg, Werne und Leipzig streikten wieder einmal für einen Tarifvertrag. Um Amazon unter Druck zu setzen versuchten sie wie in den Jahren zuvor, zumindest Zweifel bei den Kundinnen und Kunden darüber zu säen, ob die Geschenke denn auch rechtzeitig zu Weihnachten eintreffen. Eine Bilanz darüber, ob der Streik sein Ziel erreicht hat und spürbar wirtschaftlichen Schaden verursachte, steht noch aus; fest steht aber leider schon, dass der Expansionskurs von Amazon ungebremst weiter geht.

Der Online-Handelsriese gibt an, mehr Amazon-Geräte verkauft zu haben als je zuvor. Bestseller seien der „Echo Dot“ (3. Generation), der „Fire TV Stick 4K mit Alexa-Sprachfernbedienung“ sowie der Lautsprecher „Echo“ gewesen. Das sind alles Geräte, die eine umfassende Kundenüberwachung und -analyse erlauben und gleichzeitig zur dauerhaften Bindung an den US-Konzern beitragen sollen, indem sie das alltägliche Konsumverhalten grundlegend verändern. Zudem hätten zur Weihnachtszeit mehrere zehn Millionen Kunden weltweit eine Prime-Probemitgliedschaft oder eine bezahlte Prime-Mitgliedschaft gestartet. Auch hier versucht Amazon durch kostenlosen Versand, exklusive Shopping-Events und Angebote wie „Prime Video“ und „Prime Music“, Kundinnen und Kunden so umzuerziehen, dass ihnen das Bestellen bei einem Konkurrenten möglichst schwerfällt bzw. gar nicht mehr in Betracht gezogen wird.

Warum auch? Amazon hat den Ruf, schnell, günstig und zuverlässig zu sein. Tausende Anbieter nutzen zudem die Plattform, die Amazon ihnen bietet, um ihre Produkte dort anzubieten. Das Erfolgsmodell: Möglichst niedrige Löhne, viele Leih- und Teilzeitarbeiter, hohe staatliche Subventionen, minimale Steuerzahlungen. Lieferanten werden gegeneinander ausgespielt, Konkurrenten ausgeschaltet, immer wieder neue lukrative Geschäftsbereiche erschlossen. Das „Manager Magazin“ berichtet in seiner ersten Ausgabe 2019 (Titel: „Die Todesspinne im Netz“), dass Amazon auch in die Versicherungsbranche expandieren will. In den USA ist der Handelskonzern mit „Amazon Protect“ bereits mit einer Krankenversicherung für die eigenen Mitarbeiter ins Geschäft eingestiegen, dazu passend gibt es eine eigene Online-Apotheke und angebliche Pläne, auch eigene Krankenhäuser und Ärztezentren zu betreiben. „Amazon Health“ nennt sich das Experiment – interessanter Name für ein Unternehmen, dass für seine krank machenden Arbeitsbedingungen international bekannt ist.

Es sieht nach einem verdammt aussichtslosen Kampf aus, den die Kolleginnen und Kollegen von ver.di da führen. Der gewerkschaftsfeindliche Konzern ist extrem anpassungsfähig. Um nur ein Beispiel zu nennen: In Poznan in Polen hat Amazon ein Versandzentrum eröffnet, das nicht nur im Fall des Falles Lieferungen für Deutschland abwickeln kann. Laut „Zeit online“ werden deutsche Händler ermutigt, ihre Waren in Polen zu lagern und von dort nach Deutschland liefern zu lassen. Die Kolleginnen und Kollegen verdienen dort mit Löhnen zwischen 4,30 Euro und 5,69 Euro die Stunde in etwa die Hälfte wie in deutschen Versandzentren.

Und dennoch sieht es nicht danach aus, als ob die Kolleginnen und Kollegen von ver.di aufgeben wollten – im Gegenteil. Sie haben sich innerhalb der Versandzentren und international immer besser vernetzt. Mit der „Amazon Worker Alliance“ besteht ein Netzwerk von Gewerkschaftern aus den USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Polen und der Tschechischen Republik.

Der betriebliche Kampf gegen einen Monopolisten wie Amazon ist ex­trem schwierig und braucht einen langen Atem. Er verdient Respekt, Aufmerksamkeit und Unterstützung.

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"Der lange Kampf", UZ vom 4. Januar 2019



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