Mucksmäuschenstill war es auf einmal auf dem rappelvollen Platz vor dem ND-Gebäude, als bei der großen Friedensmanifestation Bardo Henning die ersten Töne anschlug und Gina Pietsch begann, „Wolgograd“ von Franz Josef Degenhardt zu singen. Es sollte einer der ganz wenigen Momente bleiben, in denen es still war auf dem Franz-Mehring-Platz.
Hier stand die Bühne, auf der sich ein Großteil des Kulturprogramms der UZ-Friedenstage abspielte. Doch auch drinnen wurde kulturell einiges geboten: Die UZ-Autoren Jenny Farrell und Ken Merten lasen aus ihren Büchern, die Schauspielerin Christa Weber begleitete einen Vortrag zur Leningrader Blockade mit einer Lesung. Der Filmemacher Johannes Hör stellte seinen jüngsten Film vor und Claudia Opitz vom OK-Projekt und Dieter Klemm zeigten und diskutierten die Verfilmung von „Mumien. Kantate für Rockoper“ von „Floh de Cologne“. Das OK-Projekt hat den Film gemacht, Klemm war einer der „Flöhe“. Am Samstagabend konnten dann diejenigen, die bei der Friedensmanifestation auf den Geschmack gekommen waren, gemeinsam mit denen, die sich schon vorher darauf gefreut hatten, Gina Pietsch und Bardo Henning bei ihrem Abend gegen den Krieg lauschen.
Draußen ging es ab Freitag vor vollen Bänken zur Sache. „Musikandes“ aus Saarbrücken begeisterten die Zuhörer, nicht anders erging es dem Theatermusiker und Liedermacher Tobias Thiele und dem schottischen Singer/Songwriter Calum Baird. Als sich schließlich Eisbrenner & Tatanka Yotanka auf den Weg zur Bühne machten, mussten eiligst die Bänke an die Seite geschafft werden, der Ansturm war groß, viele waren eigens für den Rockpoeten Eisbrenner gekommen. Ans Sitzen dachten die wenigsten.
Samstag ging es an der Hauptbühne Schlag auf Schlag: Den Anfang machte das immer kämpferisch-optimistische Duo Betty Rossa & Kapelle (Gigs) gefolgt von den Hamburger Politfolk-Rockern Schenzer & Wilke. Mit ein wenig Verspätung und etwas abgehetzt (Danke, Berliner Verkehrsbetriebe!) betrat dann noch einmal Tobi Thiele die Bühne – und legte, als wäre bei der Anreise nix gewesen, ein tolles Programm hin, dessen Liebeslieder an Havanna bestens zur brennenden Sonne von Berlin passten.
Die hielt die Leute nicht davon ab, auch den Arbeiterliedern der „RotFuchs“-Singegruppe zu lauschen. Achim Bigus spielte zwar vor leeren Bänken, aber begeisterten Zuhörern, die sich auf den Schattenplätzen knubbelten.
Erich Schaffner und Michael Letz begeisterten danach die immer noch nach Schatten Suchenden mit ihrem Programm – wie bei vielen, war auch bei ihnen der Ansturm der Zuschauer, die nach dem Programm Lob loswerden wollten, so groß, dass es für die nächsten schwer war, zur Bühne durchzukommen.
Auf die Friedensmanifestation, die mit der laut erschallenden Internationale, begleitet von Hartmut König an der Gitarre und Michael Letz am Klavier, endete, folgte das Solidaritätskonzert mit Palästina. Die Schauspielerin Christa Weber eröffnete es mit dem bewegenden „Gedicht aus Gaza“ von Ramy Baroud. Als dann die Rapper Masur, Tenor und S.Castro auf der Bühne waren, war der Platz voll mit Menschen, voll mit Kufijas und voll mit Palästina-Fahnen. Lauthals erscholl die Forderung „Free Palestine!“ aus den zumeist jungen Kehlen. Als das Konzert zu Ende war, dauerte die Enttäuschung der jungen Zuschauer nur kurz – jubelnd machten sie sich auf zum Verbandstreffen der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend. Das restliche Publikum ließ sich auf die eilig wieder rangeschafften Bänke fallen und sah und hörte dem Beweis zu, dass Kultur, dass Musik ein wunderbarer Beitrag zur Völkerverständigung ist. Einer aus Berlin, einer aus Schottland, traten gemeinsam Tobias Thiele und Calum Baird auf.
Bei den Verantwortlichen fingen am späten Samstagabend dann leider die Telefone an zu klingeln. Um eins vorwegzunehmen, es ist alles nochmal gut ausgegangen. Aber die Kubanerin Neyda Terry Verdecia, die den Sonntag bei den Friedenstagen eröffnen sollte, musste ins Krankenhaus und Kutlu von „Bejarano & Microphone Mafia“ zu einem familiären Notfall eilen. Aber am Sonntagmorgen waren die Sorgen zum Glück vorbei und so konnten wir dem Publikum von allen wenigstens herzliche Grüße ausrichten – und das feste Versprechen, beim nächsten Fest von DKP und UZ wieder dabei zu sein.
Die, die dabei waren, haben am Sonntag gezeigt, dass Solidarität für die Teilnehmer und Mitwirkenden der UZ-Friedenstage nicht nur ein leeres Wort ist. Niklas, der die Genossinnen und Genossen vom Jugendverband schon am Freitagabend begeistert hatte, suchte spontan seine Gitarre, um zehn Minuten später auf der Bühne zu stehen und einen der nun verwaisten Slots zu füllen – und um begeistert zu verkünden, wie sehr er sich auf Hartmut König freut und wie sehr darüber, vor ihm spielen zu dürfen. Der kam kurz darauf von der tollen und begeisternden DDR-Matinee angeflitzt und brachte großen Schwung für seinen Auftritt mit. Die Zuschauer auf einem schon wieder überfüllten Platz feierten nicht nur Hartmut Königs legendäre Songs wie „Sag mir, wo du stehst“, sondern auch die jüngeren Werke gegen alte und neue Kriegstreiber.
Am späten Samstagabend hatten sich schon – noch erschöpft vom gerade erst bewältigten Auftritt – Tobias Thiele und Calum Baird bereit erklärt, für Bejarano und Microphone Mafia einzuspringen. Und so konnten die UZ-Friedenstage, die dank der vielen Künstlerinnen und Künstler auch ein Friedensfest waren, zu Liedern ausklingen, die von Kuba träumen, von der Revolution und einer besseren Welt. Und mit ganz praktisch gelebter Solidarität. Vielen Dank an euch alle.
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