Schäuble will noch mal vier Jahre und im Interesse der Banken den Staat entkernen

Der Held der Finanzkonzerne

Von Lucas Zeise

Dem seit 2009 amtierenden Bundesfinanzminister ist ein von langer Hand geplanter Deal gelungen. Wolfgang Schäuble hat gegen den Widerstand der Öffentlichkeit die private Finanzierung des Bundesfernstraßennetzes durchgesetzt. Zu diesem Zweck hat er die Zustimmung der Länder zu einer entsprechenden Änderung des Grundgesetzes erreicht. Die Abschlussverhandlungen dazu fanden am Donnerstag vor einer Woche in einer neunstündigen Sitzung zwischen den Spitzen der Bundesregierung und der Länder im Rahmen der Neuordnung der Finanzbeziehungen statt.

Die Kompetenz zum Bau von Fernstraßen geht von den Ländern auf den Bund über. Der erhält das Recht, zu diesem Zweck eine privatrechtliche Gesellschaft zu gründen, die die Autobahnen und andere Fernstraßen plant und errichten lässt. Zweck der Übung ist es, dass diese Gesellschaft auch die Finanzierung der Fernstraßen betreibt. Dabei soll – nach den heftigen Antiprivatisierungsprotesten – die Gesellschaft Eigentum des Bundes bleiben. Sie soll aber zur Finanzierung Mittel von Privatinvestoren (Fonds, Banken, Versicherungen) aufnehmen können. Sie kann auch Privatunternehmen beauftragen, mit dem Einzug von Maut die Kosten einzutreiben.

Dieses Projekt hat Schäuble zusammen mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) geplant, aber sein eigentliches Vorhaben gegen alle Widerstände verteidigt. Es besteht darin, den Staat zu entkernen und Staatsaufgaben privater Profitmacherei zuzuführen. Schäuble speziell steht mit seiner Politik dafür, den Mythos von der schädlichen  öffentlichen Verschuldung und die absurden Regeln der Schuldenbremse für die neoliberale Förderung des Finanzsektors zu nutzen. Im konkreten Fall der Straßeninfrastruktur soll die für den Steuerzahler günstige Finanzierung öffentlicher Schulden durch teure Kredite des Finanzkapitals ersetzt werden. Die offiziell gemessene Staatsschuld wird zunächst geringer. Die Kosten für Straßennutzer oder Steuerzahler (oder beide) werden später höher.

Wolfgang Schäuble ist anlässlich des CDU-Parteitages vor einer Woche als harter und rechts-neoliberaler Kern der Regierung gefeiert worden. Nach bereits 44 Jahren im Bundestag kandidiert er erneut und hat durchblicken lassen, dass er bereit ist, auch weiter sein Unwesen als Finanzminister zu treiben. Da ihm weder in seiner Partei, noch in der als Koalitionspartner in Frage kommenden SPD oder Grünenpartei, ein Hauch von Opposition entgegenschlägt, kann die Fortsetzung seiner Politik als gesetzt gelten.

Schäuble verkörpert die klassische deutsche Austeritätspolitik, fälschlicherweise auch „Sparpolitik“ genannt. Niedrige Staatsausgaben werden zum Selbstzweck erklärt und mittels der im Grundgesetz eingebauten „Schuldenbremse“ auf breiter Front durchgesetzt. Die Folge kümmerlich steigender Löhne erscheint als Zwischenziel, hohe Gewinne der Konzerne und satte Außenhandelsüberschüsse sind eigentlicher Zweck dieser Politik. Schäuble wird von deutschen Konzernlenkern als Held besonders verehrt, wenn er die Beschwerden aus anderen kapitalistischen Staaten – egal ob Frankreich, USA oder Griechenland – locker abbügelt.

Schäuble steht für das aggressive Diktat dieser Politik gegenüber der gesamten EU. Die von ihm angestrebte und erreichte Gläubigerposition Deutschlands wird rücksichtslos gegenüber den Euro- und EU-Ländern durchgesetzt. Den Kampf um die Schulden Griechenlands und den Kurs der griechischen Syriza-Regierung hat Schäuble mit der ihm eigenen Radikalität geführt und glatt gewonnen. Er war dabei auch bereit, im Interesse der deutschen Finanzkonzerne den Fortbestand des Euro-Währungsverbundes zu riskieren. 2010, noch zu Beginn seiner Amtszeit als Finanzminister und sehr bald nach dem großen Crash, hat Schäuble ein staatliches Bankensicherungssystem für die deutschen Banken installiert. Ihm ist es dabei gelungen, diese Gesetzgebung als vorbeugende Maßnahme gegen erneute, milliardenschwere Staatshilfen für das Bankensystem zu verkaufen. In Wirklichkeit wurde unter die Einlagensicherungsfonds der Bankengruppen ein staatliches Sicherungsnetz gespannt, ihr Risiko also verstaatlicht. Das Schäuble-Modell diente danach als Vorlage für die Bankenrettungssysteme in der EU.

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"Der Held der Finanzkonzerne", UZ vom 16. Dezember 2016



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