Der Hauptfeind steht links

Christoph Hentschel über die Äußerungen von Alexander Dobrindt (CSU)

Der Ex-Bundesverkehrsminister und aktuelle CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt blökte, „auf die linke Revolution der Eliten folgt eine konservative Revolution der Bürger“. Dobrindt, der in seinem Leben über mehr Affären gestolpert ist und öfter gescheitert ist als alle halben Revolutionen seit der Französischen, möchte sich zum Revolutionsführer des Rechtsrucks machen, der in Bayern mit Markus Söder ein neues Gesicht und neue Schärfe gefunden hat. Der Hauptfeind sind alte Männer (und ein paar wenige Frauen), die vor 50 Jahren lange Haare hatten und Lederjacken trugen. Die „Alt-68er“ sind nach Dobrindt an allem schuld, wo es einen Schuldigen brauchen könnte.

Dobrindt schlägt in eine Kerbe, die es gibt, auch wenn das nicht jeden freut. Die Geschehnisse von 1968 und den Folgejahren sind eine zwiespältige Sache. Zum einen ermöglichten sie mit, dass sich eine legale kommunistische Partei in der BRD neu konstituieren konnte und der Muff aus 1000 Jahren ein bisschen herausgeblasen wurde, damit man nicht sofort erstickt.

Auf der anderen Seite reformierten Ex-Maos, Ex-Trotzkis, Ex-hast-du-noch-nicht-gesehen die Bundesrepublik mit Agenda 2010 und Hartz-Gesetzgebung im Interesse der Kapitalisten zum Billiglohnland mit all den Folgen, die wir Tag für Tag spüren. Wer in den letzten Jahrzehnten Studierender oder Azubi war, kennt nicht einen Chef aus einer Klitsche, in der man ein paar Euros verdient hat, der meinte, er hätte früher auch lange Haare gehabt und deshalb wäre es vollkommen in Ordnung, dass man unbezahlt mehr für ihn arbeiten müsse – man sei ja auf der gleichen Linie. „Alt-68er“, die bis 1990 durchhielten, rannten dann umso schneller und hinterließen eine bundesdeutsche Linke, die nicht mal mehr zu einem anständigen Reformismus à la Jeremy Corbyn fähig ist, sondern zwischen „im System ankommen“ und Elfenbein-Rhetorik keinen Platz für sich besetzen kann. Ein umso größeres Chapeau an die „Alt-68er“, die heute zwar keuchen, aber weiterkämpfen.

Das Problem ist nicht, wie Herr Dobrindt meint, dass die heute gesetzten Damen und Herren vor 50 Jahren revoltierten, sondern dass die große Masse von ihnen aufhörte zu revoltieren. Schauen wir also nicht mit einer rosaroten Brille zurück, sondern schärfen wir unseren Blick nach vorne. Sonst müssen wir hoffen, dass Dobrindt mal wieder scheitert. Tun wir lieber das Nötige dazu.

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"Der Hauptfeind steht links", UZ vom 12. Januar 2018



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