Wie die Grünen die Kriege im Interesse des deutschen Kapitals legitimieren. Teil III und Schluss

Der gute Krieg

Deutschland raus aus der NATO und eine Halbierung der Truppenstärke der Bundeswehr bis hin zu ihrer Auflösung – das waren einmal Forderungen, mit denen die Grünen sich für eine bessere Welt stark machten. Je mehr die Partei und ihre Funktionäre jedoch in die politischen Entscheidungen der bundesdeutschen Politik einbezogen wurden, desto mehr entfernte sie sich von friedenspolitischen Positionen.

Seit der Übernahme von „Regierungsverantwortung“ haben grüne Spitzenpolitiker einen „Realo“-Kurs in der Frage von Krieg und Frieden durchgesetzt, der eben den Interessen deutscher Außenpolitik entspricht; in einem Deutschland, in dem das große Kapital bestimmt. So schuf die erste rot-grüne Bundesregierung zum Beispiel eine Stelle, die dem Außenminister Vorschläge zur Gestaltung der deutschen Politik macht, den sogenannten Menschenrechtsbeauftragten. Der Grüne Gerd Poppe war der erste und setzte sich Ende der 90er-Jahre für die Osterweiterung des NATO-Kriegsbündnisses ein, welches die Spannungen auf dem europäischen Kontinent bis heute gefährlich zuspitzt.

Kurz darauf trommelte die Grünen-Spitze für eine deutsche Beteiligung am völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien, auch hier war es eine Mischung aus Regierungsverantwortung und Menschenrechtsheuchelei, mit der in der Öffentlichkeit und auf Parteiveranstaltungen Mehrheiten für diese staatstragende Regierungspolitik erwirkt wurden. Auch der Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan wäre ohne diese Legitimationserzählung nicht so leicht durchsetzbar gewesen. Obwohl auch in diesem Fall viel von Menschenrechten, Brunnenbauen und Schulbesuchen die Rede war, brachte der erste grüne Außenminister Josef Fischer nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf den Punkt, was heute Programm ist: Die Zeiten hätten sich geändert und man käme „um den Faktor Militär nicht herum“.

Wie schnell vermeintliches Sorgen um Menschenrechte in offene Kriegspropaganda umschlägt, zeigt sich aktuell an der medialen Mobilmachung gegen Russland und China. Dabei leisten einige Abgeordnete der Grünen wie Beck, Bütikofer und Bause ihren Beitrag in der ersten Reihe.

In den letzten Jahren saß die Grüne-Bundestagsfraktion auf der Oppositionsbank und konnte sich erlauben, ab und an von der Regierungslinie abzuweichen. So stimmten die Abgeordneten der Fraktion zu den laufenden Bundeswehreinsätzen nicht einheitlich ab. Begründet wird das uneinheitliche Abstimmen mit der Gewissensentscheidung der Abgeordneten. Die Fraktion schreibt auf ihrer Website dazu: „Die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundeswehr gehört zu den schwierigsten Entscheidungen, die Abgeordnete des Deutschen Bundestages zu treffen haben.“

Dieses Problem ergibt sich für die Grünen-Abgeordneten dadurch, dass sie ihre grundsätzliche Anti-Kriegs-Haltung schon lange verlassen haben und schon in den 90er-Jahren durchgemacht haben, was aktuell der Partei „Die Linke“ droht. Passend zum Chor über Menschenrechte, Demokratie und Freiheit heißt es bei den Grünen unisono: „Die Europäische Union ist eine Friedensmacht.“ Doch weil sich das Grundsatzprogramm von 2002 und die sechs Jahre später erarbeiteten Kriterien zur Zustimmung zu Bundeswehreinsätzen noch darauf berufen, dass mindestens ein UN-Mandat vorliegen muss, haben sich die meisten Grünen-Abgeordneten dann enthalten, als es um die EU-Einsätze in Mali und im Mittelmeer ging. Wer sich enthält, stimmt jedoch nicht dagegen und blockiert auch keine Mehrheiten.

Blockaden brechen will Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt auf internationaler Ebene: Mit einer Reform der Vereinten Nationen, wie sie von deutschen Außenpolitikern schon länger gefordert wird, denn „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein Mandat der Vereinten Nationen blockiert werden kann“. Wenn es schon kein UN-Mandat für die Interessen der „freien“ transatlantischen „Wertegemeinschaft“ gibt, dann soll eben eines geschaffen werden. Und in der grünen Böll-Stiftung wird anhand eines Thesenpapiers schon über die Perspektive der Grünen in einer möglichen Neuauflage ihrer Regierungsverantwortung spekuliert: Über „grüne“ Argumente für Armee-Einsätze ohne UN-Mandat.

In ihrem Grundsatzprogramm wird dazu die geübte Argumentation genutzt: „Wenn das Vetorecht im Sicherheitsrat missbraucht wird, um schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu decken, steht die Weltgemeinschaft vor einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso Menschenrechte und Völkerrecht schädigt wie Handeln.“ Dass es aber, wie immer in der Kriegspolitik, um die Interessen des deutschen Kapitals und seine militärischen Möglichkeiten zur Fortsetzung seiner Politik geht, macht Franziska Brandtner aus der Fraktion klar, wenn sie zum Beispiel über die US-Regierung unter Trump urteilt, diese hätte die Bundesrepublik wie einen „Vasall, wenn nicht als Rivale“ behandelt.

Dieses Problem werde auch mit einem neuen US-Präsidenten nicht gelöst, laut Brandtner lautet die Gretchenfrage vielmehr: „Werden wir Europa und damit uns selbst eine eigenständige, widerstandsfähige und strategisch souveräne weltpolitische Rolle zutrauen?“ Mit dieser Linie bieten sich die Grünen den Herrschenden an. Als Alternative für ein außenpolitisch aggressiveres Deutschland im Rahmen einer militarisierten EU, dabei selbstbewusst an der Seite der USA gegen die Systemkonkurrenz aus China. So heißt es im Entwurf für ihr Bundestags-Wahlprogramm auf Seite 116: „Der Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen ist real, lässt bisweilen nur die Wahl zwischen Regen oder Traufe – und stellt uns vor derart beachtliche Aufgaben, dass jede Form des Alleingangs zum Scheitern verurteilt wäre.“

Teil I der dreiteiligen UZ-Serie erschien in der Ausgabe vom 2. April und beschäftigt sich mit den Kernaussagen im Wahlprogramm der ehemaligen Friedenspartei. Teil II erschien am 9. April und beschäftigt sich mit der deutschen Weltmachtstrategie im Grünen Wahlprogramm.

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"Der gute Krieg", UZ vom 16. April 2021



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