Wer es mit einem übermächtigen Gegner aufnimmt, muss sich wohl Mut machen, indem er dessen Niederlage schon als gegeben annimmt. Recht vollmundig vom „Untergang des amerikanischen Imperiums“ spricht der Originaltitel von Denys Arcands neuem, jetzt auch als DVD erhältlichem Film. Der deutsche Titel „Der unverhoffte Charme des Geldes“ trifft es – ausnahmsweise einmal – besser, entpuppt sich aber als arge Verharmlosung, da der Zuschauer sich schon nach wenigen Bildern ganz uncharmant in eine wilde, blutige Schießerei versetzt fühlt. Mit rekordverdächtiger Leichen-pro-Sekunde-Quote katapultiert ihn der eigenwillige frankokanadische Regisseur in einen Splatterfilm und gleich wieder zurück in eine Art Krimi-Komödie mit grotesken Wendungen und einer – man mag es kaum glauben – klar antikapitalistischen Botschaft.
Sein Held Pierre-Paul ist ein junger Lieferfahrer, dessen träumerische Ausflüge in den Zitatenschatz der großen Philosophen recht wenig zu tun haben mit der Plackerei des täglichen Brotverdienens, ein lebensuntauglicher Dr. phil, der als Gutmensch nebenbei in Suppenküchen und Kleiderkammern aushilft und damit sogar seine einzige Freundin verprellt – bis eben die erwähnte Schießerei ihm zwei große Reisetaschen mit der Beute eines chaotisch gescheiterten Banküberfalls vor die Füße spielt und aus dem armen Träumer buchstäblich ein unverhofft reiches Zielobjekt diverser Verfolger macht. Die Polizei, die Mafia, das Finanzamt und einer der Bankräuber sind ihm auf den Fersen und wollen an das Geld, das Pierre-Paul so dringend loswerden möchte. In seiner Verzweiflung gerät er an ein stadtbekanntes Callgirl namens Aspasia. Die feine Dame, die sich ihren Künstlernamen aus der antiken Philosophie entlehnt hat, befreit ihn gegen ein Luxushonorar zwar von seinem Hormonstau, ist aber mit der Akkumulation von Kapital sichtlich vertrauter als mit dessen Abschaffung. Also müssen die wirklichen Profis ran. Leute wie der Finanzexperte Sylvain, den seine intimen Kenntnisse der Finanzwelt für Jahre in den Knast gebracht haben und der nun, frisch entlassen, geläutert und fleißig weitergebildet, als guter Böser Pierre-Paul behilflich sein will. Oder der außer Reichweite der Justiz residierende Offshore-Banker Taschereau, der mit seinen perfekten Kontakten zu allen Steueroasen und Geldwaschanlagen der Welt die Raubmillionen säuberlich gewaschen umverteilen soll an die wirklich Bedürftigen. Ein schönes Kapitalismus-Märchen also, das aber entgegen der reinen Lehre des Marxismus gut ausgeht, wie es sich für ein Märchen gehört.
Der inzwischen 78-jährige Arcand, der meist wie auch hier seine Drehbücher selber schreibt und sich schon in seinen früheren Filmen („Invasion der Barbaren“ und anderen) als scharfzüngiger Kritiker westlicher Lebensart profiliert hat, schert sich wenig um grobe Stilbrüche oder die Spielregeln der Genres. Er mixt ungeniert blutigen Ulk mit Slapstick-Komödie und zarter Romanze und riskiert für eine scharfe Attacke oder sein rasantes Erzähltempo auch schon mal den Verlust der Handlungslogik. Ungezügelt und wie ein Sturzbach sprudeln seine Einfälle, und da er keinen davon auslassen möchte, obwohl sie manchmal die Grenze zum Klamauk überschreiten, gerät ihm die Dramaturgie in der zweiten Filmhälfte ein wenig aus dem Leim. Was bleibt, ist ein schillerndes Kaleidoskop von Bildern aus einer kapitalistischen Welt, die dialektisch vom Kopf auf die Füße gestellt wird – eine gelungene, unterhaltsame Interpretation des bekannten Brecht-Zitats: „Was ist schon der Überfall auf eine Bank gegen die Eröffnung einer Bank.“