UZ-Pressefest
Hendrik Müller arbeitet fotografisch im Bereich der inszenierten Fotografie und Panoramafotografie.
Seine Themenbereiche sind „optische Täuschungen“, „Menschen im öffentlichen Raum“ und „verlassene Orte“.
www.muellers-kabinett.de
Auf dem Pressefest wird Hendrik Müller seine Arbeit im Rahmen eines Vortrages vorstellen
Ich war im April/Mai diesen Jahres für einen Monat für eine kleine NGO, der „NoBorder Kitchen“, im Einsatz auf Lesbos. Das fotografische Ergebnis dieses Aufenthalts mündete in die Bildserie „Der Frieden trügt“. Die sieben Panoramen zeigen Orte, die in engem Zusammenhang mit der Flüchtlingsbewegung auf und über diese Insel stehen. Einige davon werden nicht offen kommuniziert, andere fanden sich schon oft in der Medienberichterstattung wieder. Allen Panoramen ist gemein, dass sie abbilden, wie sich das Offensichtliche in der Landschaft der Ferieninsel verbirgt.
Mit der Flüchtlingswelle im Jahr 2015 verdichtete sich das Problem, dass es auf der Insel keine ausreichende Gräberflächen gibt. Eine Insel mit 30000 mehrheitlich orthodoxen Einwohnern hat eben auch nur Friedhofskapazitäten für 30000 Menschen. Die Menge auf der Flucht Ertrunkener und an Erschöpfung Gestorbener lastete die Kühlkapazität auf Lesbos derartig aus, dass das Stromnetz zu kollabieren drohte. Aus privater Initiative wurden Äcker angekauft, um dort die Menschen gemäß des muslimischen Ritus in Würde zu beerdigen. Nun sind die Gabfelder ein Politikum – ihre Existenz und Position wird geheimgehalten – teils aus Furcht vor Grabschändung durch faschistische Kräfte, teils, weil sie der Beweis des Versagens einer überforderten Verwaltung sind. Aktuell bemüht man sich darum, die Felder nachträglich als Friedhöfe zuzulassen.
Während in den Jahren davor nur wenige Schiffe mit Flüchtlingen pro Woche an der Küste von Lesbos anlandeten, erreichte die Fluchtbewegung im Jahre 2015 eine Höhepunkt: pro Stunde betraten ca. 200 bis 300 Menschen die Strände im Norden der Insel, wo die Entfernung zur Türkei nur 3,5 Kilometer beträgt. Innerhalb einer Woche hatte sich die Bevölkerung der Insel verdoppelt – 2015 sollten über eine Million registrierte Flüchtlinge über die Insel gehen. Die Menschen legten beim Betreten des Strands ihre Schwimmwesten ab, die sich schnell hoch auftürmen sollten. Man beschloss, eine in der Nähe liegende geschlossene Müllkippe für diesen Plastikmüll zu nutzen. Zu Spitzenzeiten türmten sich dort zwei ca. 200 Meter lange und acht bis zehn Meter hohe Berge aus Schwimmwesten auf. Sie werden schrittweise in der Müllverbrennung verbrannt. Private Hilfsorganisationen arbeiten sie auch zu Taschen um – über deren Verkauf wird die Flüchtlingsarbeit teilweise refinanziert. Die Schwimmwesten sind nicht erneut benutzbar – zum Großsteil sind es in der Türkei gefertigte Imitate ohne funktionale Schwimmkörper. Wenn man mit einer solchen Weste ins Meer fällt, saugt sie sich mit Wasser voll und zieht die Person unweigerlich nach unten.
Strandwache am Flughafen Mytilini.
Rechts und links Wohnwagen, in denen Wärmedecken und trockene Kleidung lagern, und ein beschädigtes Boot. Am Horizont erkennt man die etwa 6 Kilometer entfernte türkische Küste. Bei Dunkelheit steuern von dort aus die Flüchtlingsboote das Leuchtfeuer des Flughafens an. Die Menschen in den Booten wissen nicht, dass gegen 24 Uhr dieses Licht erlischt und sie orientierungslos sein werden.
Bootswracks, die an der Nordküste von Lesbos angespült wurden
Altes Hotel
Eine von vielen Ruinen einer ehemals besseren Zeit auf Lesbos – Immobilien wie diese bieten Unterschlupf für jene, die nicht in den Lagern leben wollen oder können.
2015 sollten über eine Million registrierte Flüchtlinge über die Insel gehen.
Die Menschen legten bei Betreten des Strands ihre Schwimmwesten ab, die sich schnell hoch auftürmen sollten. Man beschloss, eine in der Nähe liegende geschlossene Müllkippe für diesen Plastikmüll zu nutzen. Zu Spitzenzeiten türmten sich dort zwei ca. 200 Meter lange und acht bis zehn Meter hohe Berge aus Schwimmwesten auf.
Stacheldrahtbewehrung des Flüchtlingslagers vor der Räumung