Bei den drei Terroranschlägen vom vergangenen Freitag sind mehr als 60 Menschen ums Leben gekommen. 38 Personen wurden im tunesischen Sousse erschossen; die Täter griffen dort ein Strandhotel an – offenkundig davon ausgehend, Bürger westlicher Staaten zu treffen. In Kuwait starben 28 Menschen bei einem Suizidanschlag auf eine schiitische Moschee. Zu den beiden Anschlägen hat sich mittlerweile der „Islamische Staat“ (IS) bekannt. Ebenfalls am Freitag hat ein Jihadist im französischen Saint-Quentin-Fallavier einen Mann geköpft und anschließend versucht, auf dem Gelände eines Gaswerks eine gigantische Explosion auszulösen. Letzteres konnte mit Glück verhindert werden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatten sich bereits unmittelbar nach den Anschlägen tief erschüttert gezeigt. Davon, dass der IS, der sich zu den Anschlägen bekannt hat, nicht nur mit westlicher Billigung entstand, sondern sogar heute noch – wie übrigens auch der syrische Al Qaida-Ableger – von den engsten Verbündeten des Westens in Nah- und Mittelost unterstützt wird, sagten Merkel und Steinmeier hingegen nichts.
Ersteres belegt ein internes Dokument des US-Militärgeheimdienstes DIA („Defense Intelligence Agency“) vom August 2012, das Ende Mai bekannt geworden ist. Aus ihm geht hervor, dass zumindest Washington sich 2012 durchaus im Klaren war, dass „Salafisten, die Muslimbruderschaft und Al Qaida im Irak … die Hauptkräfte“ waren, „die den Aufstand in Syrien antreiben“. Der Aufstand werde möglicherweise darauf hinauslaufen, dass „im östlichen Syrien“ ein „salafistisches Fürstentum“ entstehe, mutmaßte die DIA – acht Monate vor der tatsächlichen Gründung des IS im Osten des Landes. Die Gründung eines „salafistischen Fürstentums“ sei „genau, was die Mächte wollen, die die Opposition unterstützen“, urteilten die DIA-Autoren; es werde helfen, „das syrische Regime zu isolieren“ und den Einfluss Irans – die „schiitische Expansion“ – zurückzudrängen. Der Ursprung derlei westlicher Sympathien für Salafisten und Jihadisten in Syrien und der Anlass für die anfängliche Billigung des IS, dessen brutaler Terror von seiner Gründung im April 2013 im ostsyrischen Raqqa bis zum Juni 2014 auch in der Bundesrepublik weithin ignoriert wurde, liegen demnach im gemeinsamen Bestreben, Assad zu stürzen und auf diese Weise vor allem Teheran, mit dem Damaskus bis heute kooperiert, zu schwächen.
Davon, dass der Westen der Schwächung Irans immer noch oberste Priorität einräumt, profitieren salafistisch-jihadistische Milizen in Syrien bis heute. Zugunsten des Kampfs gegen die Regierung Assad billigen die westlichen Mächte immer noch verschiedene Unterstützungsleistungen für den IS seitens ihrer engsten Verbündeten in Nah- und Mittelost. So kommentierte etwa im März ein Diplomat aus der EU türkische Behauptungen, Ankara gehe inzwischen energisch gegen den IS vor, mit der Aussage: „Das ist nur Augenwischerei. Wir haben immer noch starke Beweise dafür, dass die türkischen Terrorismus-Bekämpfer nicht umfassend mit uns bei unseren Bemühungen kooperieren, den IS zu bekämpfen.“ Vertreter der kurdischen Bevölkerung geben an, Fotobelege dafür zu besitzen, dass der IS Mitte vergangener Woche seine Angriffe auf Kobane von türkischem Territorium aus starten durfte.