Selbst der jüngeren Laufgeneration dürfte Paavo Nurmi ein Begriff sein. Er war der Läufer eines Jahrhunderts, gewann neun olympische Goldmedaillen bei drei Olympischen Spielen (1920–1928), lief 24 Weltrekorde und wollte um jeden Preis bei den Spielen 1932 den Marathonlauf gewinnen, was daran scheiterte, dass eine deutsche Denunziation ihn als Profi bezichtigte und er nicht in Los Angeles starten durfte.
Nein, es jährte sich dieser Tage nicht sein erster oder letzter Weltrekord, sondern sein Bekenntnis zum Doping. 1931 hatte er in aller Öffentlichkeit für das Medikament Rejuven geworben. Heute ein strikt verbotenes Anabolikum. Hier der überlieferte Text seiner Werbeanzeige: „Ich war verblüfft, wie Rejuven den Körper stärkt, und kann es Athleten mit einer langen, anstrengenden Wettkampfsaison wärmstens empfehlen.“
Wer ihn disqualifizierte? Das war vor den Olympischen Spielen in Los Angeles. Angeblich hatte er kurz zuvor den Amateurstatus verletzt. Es war ein deutscher Leichtathletikveranstalter, der ihn anzeigte, weil er angeblich für seine Anreise zu einem Sportfest, zu dem man ihn eingeladen hatte, zu viel Reisekosten kassiert hatte. Bis zuletzt hatte er auf eine Aufhebung des Urteils gehofft, wurde aber auf die Tribüne verdammt.
Nein, er war nicht wegen Dopings gesperrt worden, weil damals noch gar nicht verboten war, solche Mittel zu nehmen und alle Welt – vielleicht eben auch Paavo Nurmi, der das nicht mal geleugnet hatte – stapelweise Pillen schluckte.
Wenn ich heute daran erinnere, dass auch der legendäre Nurmi schon leistungsfördernde Mittel geschluckt hatte, dann keinesfalls, um seine Medaillen von seinen Nachfahren zu verlangen, sondern nur um die historische Problematik des Dopings in Erinnerung zu rufen. Es war hier schon mal die Rede davon, dass selbst die antiken Griechen Mittelchen kannten, die sie schneller werden ließen oder im Ringkampf erfolgreicher.
Die ersten Dopingkontrollen der modernen Spiele fanden 1960 statt. Seitdem sind fast sechs Jahrzehnte vergangen und der Erfolg blieb mäßig. Sollte jemand fragen, warum das so ist, könnte man ihm antworten: Weil hinter der Pharmaindustrie ein paar mehr Milliarden stecken als hinter der Industrie, die die Kontrollgeräte produziert. Wer das bezweifeln sollte, müsste mal zur Kenntnis nehmen, wie viel leistungssteigernde Mittel in allen Branchen gekauft und wie viel solcher Geräte benötigt werden. In den Büros kontrolliert nämlich niemand, ob jemand leistungsfördernde Pillen nimmt. Würde man Apotheker nach ihrem Umsatz fragen, würde das große Staunen einsetzen.
Das erinnert an den berühmten Wettlauf zwischen Hase und Igel. Zum echten Problem wird dieser Wettlauf erst, wenn er in die Politik wechselt. Ich nenne absichtlich die Namen keiner Völker, denn sonst müsste ich erwähnen, dass seit Jahr und Tag in der Bundesrepublik eine wissenschaftliche Untersuchung in verschlossen Schränken liegt und nicht ans Licht kommt.
Lassen wir das. Und auch den trotz des Rejuven guten Nurmi …