Saudi-Arabien, Ägypten, Bahrain und andere Staaten haben buchstäblich über Nacht alle wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen zu Katar abgebrochen. Fluglinien wurden eingestellt, Grenzen geschlossen. Damit soll Katar dazu gebracht werden, seine Unterstützung für Terroristen einzustellen.
Es fällt schwer zu entscheiden, welcher der Golfstaaten die Dschihadisten mehr unterstützt, ob Katar oder Saudi-Arabien – oder ob doch die Türkei oder die USA die größten Unterstützer dieser Gruppen sind. So hat der Vorwurf Saudi-Arabiens, Katar würde den Terrorismus unterstützen, etwas Bizarres. Er ist nicht falsch, trifft aber auf Saudi-Arabien und die anderen genannten Länder selbst zu.
Terroristen gibt es in unterschiedlicher Couleur: Katar versucht, seine Interessen über die Organisation der Moslembrüder durchzusetzen, während Saudi-Arabien diejenigen Kräfte stärkt, die sich auf die wahhabitische Ideologie beziehen. Das ist seit Jahren so und hat schon in der Vergangenheit die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Katar belastet. Katar wie Saudi-Arabien sind „beste Freunde“ der USA. Die einen haben den größten Waffendeal mit den USA abgeschlossen, die anderen haben die größte US-Militärbasis in ihrem Land, doch beide Staaten haben unterschiedliche Interessen.
Differenzen zeigten sich bereits vor einigen Wochen im Krieg gegen den Jemen. Katar gehört dem saudischen Militärbündnis an, doch gegen die saudischen Interessen unterstützt Katar die Unabhängigkeitsbewegung im Süden des Landes. Und man muss nicht lange suchen, um hinter dem Streit zwischen Katar und Saudi-Arabien den großen Konflikt um den Iran auszumachen, der wieder im Fokus der US-Regierung steht.
Bei allem Auf und Ab der politischen Konjunktur bewahrten Katar und der Iran über die Jahre verhältnismäßig positive Beziehungen. Schließlich ist die Wirtschaft beider Staaten auf die gemeinsame Ausbeutung eines großen Erdgasfeldes im Persischen Golf angewiesen: Das „South-Pars“ und „North Dome“-Gasfeld. Es enthält mehr gewinnbare Reserven an Erdgas als alle anderen bekannten Felder zusammen. Die beiden Staaten müssen zusammenarbeiten – eine Misswirtschaft auf der einen Seite würde sich negativ auch auf die andere Seite auswirken. Doch diese Zusammenarbeit widerspricht fundamental den Vereinbarungen, die auf der Konferenz von Riad getroffen wurden.
Als US-Präsident Trump im Mai mit den führenden Politikern der arabischen und islamischen Welt in Riad zusammentraf, wurden nicht nur Waffengeschäfte vereinbart. In einer gemeinsamen Erklärung sprachen sich die Vertreter der Staaten – darunter die Hauptsponsoren des Terrorismus – für Partnerschaft, Entwicklung, eine bessere Zukunft für die Jugend und eben auch den Kampf gegen den Terrorismus aus. Was aber wirklich gemeint war, stand im „Kleingedruckten“: Die anwesenden Staaten wiesen die Politik des Iran, die die Stabilität und Sicherheit der Region und der Welt untergrabe und den Terrorismus fördere, zurück.
Diese Erklärung entsprach den Vorstellungen Saudi-Arabiens und der USA, die beide versuchen, den Einfluss des Iran zu verringern. Von hier war es nur noch ein Schritt zur Maßregelung Katars. Zum Anlass diente eine Meldung der katarischen Nachrichtenagentur, wonach der Emir von Katar sich gegen eine Politik der Konfrontation gegenüber dem Iran ausgesprochen habe. Die Meldung wurde schnell zurückgezogen und wird offiziell als Folge eines Hacker-Angriffs dargestellt. Aber die Nachricht ist nicht aus der Luft gegriffen: Mittlerweile verbessern sich die Beziehungen zwischen dem Iran und Katar weiter, Iran stellt Häfen zur Verfügung und fliegt Waren nach Katar, um die Folgen der wirtschaftlichen Sanktionen abzuschwächen. Der türkische Präsident Erdogan – ein Parteigänger der Moslembrüder – unterstützt Katar und lässt sogar Truppen schicken. So bildet sich eine seltsame Zusammenarbeit zwischen Iran, der Türkei und Katar heraus – die an eine frühere Zusammenarbeit anknüpfen kann.
Der Konflikt sendet Schockwellen nach Europa und insbesondere nach Deutschland. Schließlich ist Katar nach eigenen Angaben größter arabischer Investor in Deutschland. Und so geht es in der Region auch um deutsche Interessen, wie Kanzlerin Merkel erklärte.