Russischer Minister für Wirtschaftliche Entwicklung unter Hausarrest

Der Fall Uljukajew

Von Willi Gerns

Nach der Verhaftung des Ministers für Wirtschaftliche Entwicklung, Aleksej Uljukajew, wird in Russland heftig über den Hergang der Ereignisse und die Hintergründe dieses nichtalltäglichen Vorgangs diskutiert. Die Meinungen gehen dabei weit auseinander. Sie reichen von dem Vorwurf, dass es sich um eine Provokation staatlicher Machtorgane handele, bis zu der Hoffnung, dass dies der Beginn einer Machtbeschneidung des „Wirtschaftsblocks“ in der Regierung Medwedjew sein könne. Dieser Hort des Neoliberalismus ist durch die Begünstigung der Oligarchen und anderer Profiteure der Konterrevolution, der rigorosen Abwälzung der Krisenlasten auf die einfachen Menschen sowie dem Ruf nach Privatisierung der Restbestände staatlichen Eigentums besonders unbeliebt, aber eben auch bei vielen „Silowiki“ – Angehörigen der staatlichen Sicherheitsorgane.

Die Verhaftung Uljukajew wurde in der Nacht zum 15. November in einer Presseerklärung des Untersuchungskomitees (UK) bekanntgegeben. Darin heißt es, dass eine Untersuchung wegen der Annahme von Bestechungsgeld in Höhe von 2 Millionen Dollar eingeleitet worden sei. Diese soll Uljukajew dafür erhalten haben, dass sein Ministerium es durch ein positives Gutachten dem „Rosneft“-Konzern erlaubte, ein Kontrollpaket von Baschneft für 339,7 Milliarden Rubel zu kaufen.

Wie die Agentur Interfax unter Berufung auf eine offizielle Vertreterin des UK berichtet, sei Uljukajew von den Sicherheitskräften bei der Entgegennahme des Bestechungsgeldes auf frischer Tat ertappt worden. Dieser Quelle zufolge gehe es bei der Untersuchung zugleich um Drohungen und Erpressung gegen Vertreter von Rosneft.

Am Abend des 15. November ordnete ein Moskauer Gericht auf Antrag der Untersuchungsbehörde Hausarrest für Uljukajew bis Mitte Januar an. Der Verhaftete muss ein elektronisches Armband tragen, das die Sicherheitskräfte jederzeit über seinen Aufenthaltsort informiert. Später enthob der russische Präsident Wladimir Putin den Minister seines Amtes mit der Begründung, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen verloren habe. Wie der Anwalt des Exministers verlautete, erkennt dieser keine Schuld an und sieht in seiner Festnahmen eine Provokation.

Aus der Fülle der in den russischen Medien kursierenden Spekulationen und Meinungsäußerungen wollen wir drei Stimmen wiedergeben:

Der Journalist und politische Aktivist der prowestlichen, neoliberalen Opposition Aleksandr Rybkin wirft die Frage auf, ob Putin informiert war oder von den Sicherheitsorganen vor vollendete Tatsachen gestellt wurde, und spekuliert auf der Website „ej.ru“ über die Zukunft Putins: „Kontrolliert Putin das Geschehen? Ich denke teils, vorläufig ja. Aber bei weitem nicht in dem Maße wie am Anfang seiner Zarenherrschaft. Die Macht zerfleddert schon nicht mehr nur an den Rändern. Und um sie zu erhalten, muss er sich mit verschiedenen Zugeständnissen abfinden, z. B. den Silowiki, denen er selbst unbegrenzte Vollmachten übertrug, von Zeit zu Zeit erlauben, die Tagesordnung zu diktieren. Und eine solche Lage kann sich ziemlich lange hinziehen. Bis zu der Zeit, da sie Wladimir Putin nicht mehr brauchen. … Es versteht sich, dass dann schon kein Medwedjew mehr da sein wird. Ich denke übrigens, dass der Rücktritt des Kabinetts demnächst vorentschieden wird.“

Der ehemalige Vizepräsident des Rechnungshofs der Russischen Föderation, Juri Boldyrew, sieht dagegen im Gespräch mit der Internetplattform „nakanune.ru“ die Möglichkeit, dass die Verhaftung des Ministers der Beginn einer Untersuchung des ganzen „kollektiven Uljukajew“ im Machtapparat sein könne. Und der Duma-Abgeordnete der KPRF, Juri Sinelschikow, betont in der „Sowjetskaja Rossija“, dass diese Regierung sich derart kompromittiert habe, dass sie nur noch zu ihrem Rücktritt taugt. Das sage die KPRF seit langem. Leider sei die Gesellschaft dafür nicht herangereift, wie bei Wahlen deutlich werde. Es sei aber möglich, dass die Verhaftung Uljukajew etwas verändere. Die Regierung schwanke und könne wegen der Budgets für die nächsten drei Jahre, die keinerlei Entwicklung beinhalten, noch mehr ins Wanken geraten.

Sinelschikow fährt fort: „Natürlich war die Verhaftung Uljakaews der Wille des Präsidenten. Dass Putin diesen Schritt unternommen hat ist gut. Schlecht ist nur, dass es vom Typ Uljukajew nicht nur einen in der Regierung gibt. … Und die Hauptsache besteht darin, dass es nicht gewiss ist, dass Uljukajew wirklich bestraft wird.“

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"Der Fall Uljukajew", UZ vom 25. November 2016



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