Jens Mehrle inszeniert in Sachsen-Anhalt Peter Hacks’ „Adam und Eva“

„Der erste Schritt ist allemal ein Stolpern“

Tim Meier

Das Thema selbst ist ja schon zum Schmunzeln: Wer ist denn nun schuld, dass wir nicht mehr im Paradies leben? Adam? Die Schlange? Eva? Die Obstsorte Apfel? Peter Hacks’ Schöpfung, der Schöpfer selbst, gibt dem Publikum schon im Vorspiel der Komödie einen Hinweis: „Der Kniff ist tief, die Lösung steckt verborgen. / Ah, meine Wege sind wunderbar.“

Des DDR-Dichters Stück vom Sündenfall ist eines seiner häufiger gespielten – mit Recht. Denn nichts ist unterhaltsamer als der Menschheit erster Schritt (Gott: „allemal ein Stolpern“) zum Menschsein, wenn sie ihr prächtiges Eden mit der sperrigen Ödnis, ihre Un- mit der Sterblichkeit tauscht. Was wäre unterhaltsam an jenem Schritt, der uns diesen Dreck (ihn Welt zu nennen wäre ein Spott auf den Begriff selbst) einhandelte, anstelle des perfekten Paradieses? Gott gibt seinem begriffsstutzigen Erstgeschaffenen, Erzengel Gabriel, und dem fragenden Publikum die Antwort: „Was klar und hell sogleich ins Auge leuchtet, / Ist stets so flach wie wahr, so arm wie richtig. / (…) Ich konnte, aber Du erkanntests, eben / So gut (es) unterlassen wie erschaffen.“ Erst das Unvollkommene ist es, das Dynamik, also Widersprüche, also dialektische Prozesse und damit Geschichte schafft.

Dies im Sinn, entfaltet sich nach dem Vorspiel in drei Akten die Komödie am vergangenen Freitagabend in der „brau.ART“ Dessau als Voraufführung. Wo Gott fragt: „Wie welche schaffen / Nach meinem Bild?“, fragte sich Regisseur Jens Mehrle, wie ein Stück mit drei Schauspielern realisieren, wo es im Personenregister doch fünf fordert? Hier hilft die Vegetation Edens, die sich auf zwei Vorhängen zwischen Leitern erstreckt und so Raum für Verstecke sowie Maskenspiel bietet. Die den Fans vom „Theater Provinz Kosmos e. V.“ bekannten Gesichter Maria Strauss (Eva) und Felix Würgler (Gott) wechseln mit Daniel Warland (Adam) gekonnt ihre Rollen, erscheinen mal vor, mal hinter dem Vorhang als Satanael und Gabriel.

Und so „stolpern“ Adam wie Eva mithilfe der Erzengel in ihre Freiheit, also ihre eigene Schöpfung, die Gott ihnen anhand des Apfels der Erkenntnis anbietet. Hacks zeigt auf, dass es erst den Verlust des Paradieses braucht, damit die Menschheit sich daran schaffend auf den Weg macht, jenes wieder zu erreichen. In seinem Essay zum Stück weist der Dichter auf die Parallelen zwischen Eden und dem Kommunismus hin: Die befreite Gesellschaft des unermesslichen Reichtums, in der jeder nach seinen Fähigkeiten und seinen Bedürfnissen leben könnte, muss das ferne Ziel bleiben, auf das es sich hinzuarbeiten lohne. Wähnt man sich schon dort oder verliert es aus den Augen, bleibt die Schöpfung stecken – welch richtiger Appell.

„Adam und Eva“
Regie: Jens Mehrle
Mit Maria Strauss, Daniel Warland und Felix Würgler.
Musik: Posaunenchor Dessau.
Weitere Vorstellungstermine:
28.9., Zerbst, Kirchenruine, 29.9., Wittenberg, KGA „Am Stadtgraben“, 6.10., Coswig, ­Simonetti Haus, 25. und 26.10.: Dessau, ­Historisches Arbeitsamt, 1.11., Wittenberg, Stadtbibliothek.

Kai Köhler (Hrsg), Peter Hacks
Adam und Eva
Aurora Verlag, 112 Seiten, 7,95 Euro


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"„Der erste Schritt ist allemal ein Stolpern“", UZ vom 27. September 2024



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