Wer ihn erlebt, bemerkt, dass er trotz seines Ruhms ein unglaublich bescheidener Mensch geblieben ist. Seine bundesdeutschen Raumfahrtkollegen und viele aus anderen europäischen Staaten sprechen noch heute mit Hochachtung über ihn, hat er doch nicht wenige von ihnen nach 1990 ins Sternenstädtchen bei Moskau und bei ihrer Ausbildung vor dem Flug zur MIR-Station bzw. zur Internationalen Raumstation ISS begleitet. Zunächst als freier Berater für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), von 1993 bis 2002 auch für die Europäische Weltraumorganisation ESA. Die ESA würdigt ihn aber nicht nur deshalb auf ihrer Internetseite. Der „Deutschlandfunk“ nannte ihn in einer Sendung am 2. Juli einen „Superstar“: Sigmund Jähn, geboren 1937, Sohn eines Sägewerkarbeiters, gelernter Buchdrucker, der früh Militärflieger in den Luftstreitkräften der DDR wurde, war der erste Deutsche im All.
Am 13. Juli 1976 bot die Sowjetunion ihren am Interkosmos-Programm beteiligten Partnerländern gemäß dem Weltraumvertrag von 1967 den Mitflug eigener Kosmonauten in Sojus-Raumschiffen zur Raumstation „Saljut-6“ (diese war von 1977 bis 1982 in Betrieb) an. Die Einladung kam vom Rat Interkosmos beim Präsidium der Akademie der Wissenschaften (AdW) der UdSSR.
Die DDR entsandte im November 1976 vier Kandidaten ins Kosmonautenausbildungszentrum des Sternenstädtchens bei Moskau. Unter ihnen war auch Sigmund Jähn. Wie er später berichtete, war er zunächst bei der Auswahl gar nicht die Nummer Eins. Dass gerade er für diesen historischen Flug ausgewählt wurde, erzählt er noch heute, sei auch „mit Zufall und Glück“ verbunden gewesen. Später, nach dem Flug, war ihm der Rummel um seine Person, den es in der DDR gab, eher peinlich.
Anfang Dezember 1976 nahm Jähn gemeinsam mit seinem späteren Double Eberhard Köllner das Basistraining auf, einige Monate später das missionsspezifische Training. Am 26. August 1978 startete der DDR-Bürger Sigmund Jähn als erster Deutscher ins All. Zusammen mit dem Missionskommandanten Waleri Bykowski flog er als Forschungskosmonaut in der 4. Besuchsmannschaft (EP-4) an Bord des Raumschiffes „Sojus-31“ zur sowjetischen Raumstation „Saljut-6“. Das war der dritte Flug einer internationalen Besatzung im Rahmen des Interkosmos-Programms – als erster „Interkosmonaut“ war Vladimír Remek, CSSR, mit der
„Sojus-28“, als zweiter Miroslaw Hermaszewski, VR Polen, mit der „Sojus-30“ zur Station geflogen. In der Station führte Jähn zahlreiche wissenschaftlich-technische Experimente durch. Dazu zählten Experimente mit der auf „Saljut-6“ stationierten Multispektralkamera MKF 6 aus dem VEB Carl Zeiss Jena zur Erdfernerkundung, Experimente zur Kristallzüchtung und medizinische Untersuchungen zur Auswirkung der Schwerelosigkeit.
Am 3. September 1978 kehrten Jähn und Bykowski nach 124 Erdumkreisungen und einer Flugdauer von sieben Tagen, 20 Stunden und 49 Minuten mit dem Raumschiff „Sojus-29“ wieder zur Erde zurück. Die Landung war unsanft. In der kasachischen Steppe überschlug sich die Rückkehrkapsel mehrfach, Jähn wurde an der Wirbelsäule verletzt und trug ein dauerhaftes Rückenleiden davon. Fliegen durfte er danach nicht mehr, was ihn sehr schmerzte.
Nach seinem Raumflug wurde Sigmund Jähn Chef des neu geschaffenen Zentrums für Kosmische Ausbildung bei den Luftstreitkräften der NVA. Er blieb es bis 1990. Daneben promovierte er 1983 am Zentralinstitut für Physik der Erde in Potsdam mit einem Thema zur Fernerkundung der Erde.