Drogenhandel und -schmuggel sind in Mexiko kein neues Problem. Es trat nicht erst auf, als 2000 die rechte Partei der Nationalen Tat (PAN) erstmals gegen die Partei der Institutionellen Revolution (PRI) die Präsidentschaftswahlen gewann und die über 70-jährige Vorherrschaft der Vorgängerin brach. Das Problem nahm bereits in den 1950er-Jahren seinen Lauf, als weite Landstriche zunächst für den Marihuana- und dann den Mohnanbau verwendet wurden. Aktuell schließt es auch die Herstellung verschiedener synthetischer Drogen ein und hat sich auf deren Umschlag und Absatz erweitert. Aber obwohl dieses gesellschaftliche Problem ständig größer wurde, konnte es durch eine Politik der „Toleranz“ seitens der PRI-Regierungen eingedämmt werden, die überbordende Gewalt vermied.
In 2000 errang Vicente Fox (PAN) die Präsidentschaft – zusammen mit dem kolumbianischen Präsidenten Álvaro Uribe ein bedingungsloser Partner der US-Regierung –, der vor seiner Wahl Generalmanager für Coca-Cola in Lateinamerika war. Mit ihm wurde in den Landesteilen, in denen als Folge neoliberaler Strukturreformen der 1990er Jahre die Unzufriedenheit besonders groß war, eine Aufstandsbekämpfungsstrategie aufgenommen.
Zu deren ersten Maßnahmen gehörte die Verschärfung der Widersprüche zwischen den verschiedenen Drogenkartellen, indem zugunsten der einen Schläge gegen andere ausgeführt wurden. Dies brachte die Gewalt zum Überlaufen, bis sie die gesamte Gesellschaft erreichte, der dieser Mechanismus jedoch verborgen blieb. Die Regierung unternahm einen weiteren Schritt zur Eskalation der von ihr gesteuerten Gewalt, indem sie Heer und Marine einsetzte. Bei Intellektuellen und sozialen Bewegungen führte dies zu Kritik, da die Streitkräfte verfassungsgemäß ausschließlich zwecks Verteidigung der nationalen Souveränität bei Gefahr einer ausländischen Invasion ausrücken dürfen. Sie warnten auch, der Militäreinsatz könnte über den Verfassungsbruch hinaus zu einer unterschiedslosen Verfolgung breiter Massen führen, die sich der unpopulären Regierungspolitik entgegenstellten.
Als der rechte Präsident Felipe Calderón (PAN) am 11. Dezember 2006 „seinen Krieg“ gegen Drogenhandel und organisiertes Verbrechen ausrief, war er kaum zwei Wochen im Amt. Er hatte eine fragwürdige Wahl knapp gewonnen, bei der die Wahlenthaltung je nach Quelle zwischen 41 Prozent und 59 Prozent lag, was ihn allein bereits delegimierte. Es ist hinzuzufügen, dass die parlamentarische Linke seinen Wahlsieg nie anerkannte, so dass der Ruch des Betrugs Calderón durch seine gesamte Amtszeit begleitete. Er musste sich daher auf andere Weise Legitimation verschaffen. So begann er, als Oberkommandierender der Streitkräfte karikaturhaft in Felduniform auftretend, die Militäroffensive gegen Drogenhandel und organisiertes Verbrechen.
Seine Amtszeit endete mit einer blutigen Bilanz von offiziell 30 000 bis 60 000 Toten. Tiefer gehende wissenschaftliche Studien schätzen bis zu 110 000 Opfer. Die Regierung unterstreicht, dass es sich durchweg um Verbrecher handelte. Seriöse Wissenschaftler gehen hingegen von einem hohen Anteil ziviler Opfer aus, die im Kreuzfeuer gestorben oder dem organisierten Verbrechen zum Opfer gefallen sind, darunter hauptsächlich mittellose Angehörige der Arbeiterklasse. Die wichtigsten Drogenkartelle erfreuten sich jedoch weiterhin bester Gesundheit und setzten ihre Auseinandersetzung um Herrschaftsbereiche, Handelswege und Märkte fort. Nicht nur, dass sie nicht erfolgreich bekämpft wurden. Sie konsolidierten sich im gesamten Land, technisierten ihre Drogenproduktion weiter, korrumpierten die Streitkräfte und drangen in Regierungskreise vor.
Unter Enrique Peña Nieto (PRI, Präsident seit 2012) liegen die wahren Ziele unverschleiert offen. Es handelt sich nicht um einen Krieg niedriger Intensität, sondern um einen heißen Krieg gegen die mexikanische Bevölkerung. Der berüchtigte kolumbianische Experte für Aufstandsbekämpfung Óscar Naranjo hinterließ als Regierungsberater seine Spur. Von ihm übernahm Peña Nieto zwei Ziele: Eines ist die bestmögliche Nutzung von militärischer Aufklärung und Geheimpolizei, um größere Gewalt über verbrecherische Gruppen zu erreichen und diese durch die Schaffung von Verbindungen zwischen politischer Macht und organisiertem Verbrechen für eigene Zwecke zu nutzen. Zweitens begegnet er so der gesellschaftlichen Wut, die den institutionellen Rahmen zu sprengen droht, um soziale Kämpfe als Drogenterrorismus oder organisiertes Verbrechen zu verleumden.
Die Streitkräfte verhalten sich wie eine Besatzungsarmee gegen die Bevölkerung. Die Aufstandsbekämpfungsstrategie vereint drei strategische Elemente, um jeden Ausdruck von breiter Unzufriedenheit mit der Regierung niederzuschlagen. Eines davon sind die Streitkräfte. Die anderen beiden sind die Kartelle des organisierten Verbrechens und die zivilen bewaffneten sogenannten „Selbstverteidigungsgruppen“, bei denen es sich de facto um paramilitärische Gruppierungen handelt.
Daher ist seit Beginn der Amtszeit Peña Nietos ein koordiniertes Vorgehen von Polizeikräften, Gendarmerie, Heer und Marine gegen die arbeitende Bevölkerung zu beobachten. Dies führt zu alltäglicher Schikane gegen die Kleinstunternehmer, zur Verletzung der Menschenrechte der normalen Bevölkerung, zur Ermordung von Kindern und unbewaffneten Zivilisten durch die Armee, zu Patrouillen und Kontrollposten der Marine im Landesinneren, wo weder Küsten noch Gewässer zu schützen sind, und zur Propaganda der Regierung, dass alle Streitkräfte zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens und zum Schutz der Bevölkerung auf der Straße seien.
Dieses Vorgehen der Streitkräfte darf nicht überraschen, denn sie dienen den Monopolen. Für sie bedeutet die „Verteidigung des Vaterlandes“ in Wirklichkeit die Verteidigung des Privateigentums.
Das organisierte Verbrechen spielt in dieser Aufstandsbekämpfungsstrategie eine Schlüsselrolle, denn ihm kommt die Aufgabe zu, unter der Bevölkerung Terror zu säen, um die Militarisierung des Landes und das Aufkommen der bewaffneten „Selbstverteidigungskräfte“ zu rechtfertigen. Deshalb handeln sie völlig straflos, werden vom Staat toleriert und gehegt und können wie Paramilitärs auftreten.
Die Teilhabe von Militär und organisiertem Verbrechen an diesem Krieg gegen die Arbeiterklasse ist offensichtlich. Bei den bewaffneten zivilen Gruppen, die als „Selbstverteidigungskräfte“ auftreten, ist dies schwieriger zu erkennen. Obwohl ihre Klassenzusammensetzung und ihre Herkunft sie mit dem Staat verknüpfen, könnten sie äußerlich auch als eine Gemeinschafts-, Volks-, Bürger- oder revolutionäre Bewegung erscheinen. Hinsichtlich ihrer Klassenzusammensetzung sind sie aber lokalen Machthabern oder Grundbesitzern verbunden, welche sie bewaffnen und finanzieren, und sie organisieren den Schutz deren Eigentums. So gingen etwa Avocadozüchter vor, die solche Gruppen zum Schutz ihrer Interessen bewaffnet und sich dabei auch gegen die indigenen Purépecha gerichtet haben, welche gegen die illegale Wasserentnahme aus einem in ihrem Territorium gelegenen See für die Bewässerung der Avocadofelder vorgingen. Andernorts wurden diese Kräfte gegen die indigene Gemeinde Nahua de Ostula eingesetzt, die von den mit dem Staat verbundenen Kartellen und Gruppen des organisierten Verbrechens mittels örtlicher, Staats- und Bundespolizei verfolgt und bedrängt wurden, da sie sich gegen den Drogentransport durch ihr Gebiet wehrten und Hunderte Hektar Landes zurückerobert hatten, das ihnen von Hotelketten entrissen worden war.
Heute kann eine direkte Verbindung zwischen dem Aufkommen bewaffneter Gruppen von Zivilisten unter unterschiedlichen Namen mit dem Ziel der Verteidigung monopolistischer Projekte vor dem Volkswiderstand hergestellt werden. Es ist daher zu schließen, dass der Drogenkrieg ein Vorwand des Staates zur Eindämmung von Widerständigkeit ist.
Übersetzung und red. Bearbeitung: CS