Kurswechsel aus Überzeugung oder durch (Erwartungs-)Druck?

Der DFB und die Migrantenfrage

Von Moritz Böse

Ein guter Freund schreibt zurzeit seine Abschlussarbeit über den Umgang des DFB mit seiner Vergangenheit im Nazireich und aktuelle DFB-Projekte in Bezug auf Migration. Quintessenz der Arbeit ist, dass der DFB es einerseits geschafft hat, sich (soweit öffentlich eingefordert, aber keinen Deut mehr) mit seiner Verstrickung in den deutschen Faschismus auseinanderzusetzen und ein paar Projekte (Integrationspreis etc.) zu fördern, die auch heute zum guten Ton in bürgerlich-demokratischen Gesellschaften gehören. Bei den letzten DFB-Präsidenten hat er sogar Ansätze eines fortschrittlichen Bewusstseins ausgemacht, die angeblich dazu führen, dass jetzt auch junge Migrantinnen und Migranten im Fußball gefördert werden. Zugleich, stellt er fest, halten sich Vorurteile gegenüber den Einwandererkindern wacker.

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( Rainer Zenz)

Warum geht der DFB wie mit den MigrantInnen um?

„Emre, Deniz und Lejat lassen sich von nichts aufhalten. Sie verbreiten Angst und Schrecken – aber nur im gegnerischen Strafraum“ – so der Integrationsspot des DFB aus dem Jahr 2011, indem man eine Gruppe jugendlicher Migranten mit umgedrehtem Baseballcap durch einen Bahnhof laufen sieht. In einem anderen Werbespot heißt es: „Emre, Deniz und Leyat schlagen immer wieder zu – der kleinste Fehler reicht und die Jungs langen gnadenlos hin.“ Der Spot endet jedoch damit, dass der DFB seine Freude darüber zum Ausdruck bringt, dass die jungen MigrantInnen ihre Wut und Gewalt nun nicht mehr in der S-Bahn, sondern auf dem Fußballplatz einbringen – und dem DFB bzw. den jeweiligen (Jugend-)Nationalmannschaften so zu Titeln verhelfen.

Hier zeigt sich: Die alten Vorurteile können ruhig bestehen bleiben, der Integration in den deutschen Fußball ist das nicht abträglich. Der Hang zur Brutalität und die List (siehe Videozitat), die sonst als negative Zuschreibung funktioniert, wird nun einfach positiv gewendet und der DFB hat seine Pflicht gegenüber Forderungen der Umwelt (Zivilgesellschaft, Staat usw.) erledigt und zugleich interne Legitimationsprüfungen (Fußballorganisationen werden an Titeln gemessen) bestanden. Vorurteile (also Rassismus) und Fußballmigranten sind also kein Widerspruch, sondern die Human Resource-Strategie des DFB im 21. Jahrhundert.

Immer mehr Migranten in der Nationalelf?

Kaum spielten die ersten dunkelhäutigen Fußballer in der deutschen Nationalmannschaft, befürchteten NPD und Co., dass es bald gar keine autochthonen (eingeborenen) deutschen Fußballer mehr geben würde. Untersucht man die ethnische Zusammensetzung der Nationalmannschaft jedoch über die Zeit (sagen wir, ab 1998), kann man feststellen: Ist alles Quatsch. Zwar hat der Anteil der Fußballmigranten zwischen WM 1998 (0) und 2010 (11 Spieler) sukzessive zugenommen, danach allerdings auch wieder abgenommen (EM 2008: 7; WM 2014: 6). Weder sterben also die eingeborenen Deutschen aus, noch ist ein hoher Migrantenanteil ein Erfolgsgarant. Was jedoch nicht bestritten werden kann, ist, dass die Einbindung von Migranten in den Sport – gepaart mit einer professionalisierten sportlichen Frühförderung auf allen Ebenen – dazu geführt hat, dass junge Fußballtalente immer früher entdeckt werden und durch den erhöhten Konkurrenzkampf auch gezwungen werden, immer besser zu werden. Die Integration zusätzlicher Spieler erhöht nämlich nicht nur den Gesamtpool an potenziell interessanten Spielern, sondern führt auch zu einem stärkeren Kampf um die begrenzt vorhandenen Positionen als Profifußballer.

So liest sich der aktuelle Umgang des DFB mit MigrantInnen weniger als demokratische Lovestory, sondern als interner Lernprozess, in dessen Ablauf der DFB gemerkt hat, dass sich mit mehr Fußballern einfach mehr Titel holen lassen. Der (auch medialen) Wirksamkeit tut es dann keinen Abbruch, wenn zugleich rassistische Bilder in den Köpfen der Funktionäre weiterleben, im Gegenteil: Sie können sogar – als positiv gewendete Zuschreibungen – das Schmiermittel der Integrationsmaschine DFB sein.

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"Der DFB und die Migrantenfrage", UZ vom 10. Juli 2015



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