Andrea Camelleri: Die Spur des Lichts
Commissario Montalbano stellt sich der Vergangenheit
Aus dem Italienischen von Rita Seuß und Walter Kögler
Lübbe Verlag geb. 268 S. 20.- Euro
Marinella, Szilien. Das Wetter ist unbeständig. Montalbano, immer wetterfühliger, launischer, unbeherrschter, wird zu einen Tatort im Nirgendwo gerufen. Der Tote ist der „Signori e Questori“ Bonetti-Alderighi. Ein Traum, aber ein sehr realistischer. Vor allem der Besuch des Innenministers scheint wirklich bevorzustehen. Auf Lampedusa war er in den Aufnahmezentren, so werden die Flüchtlingslager tatsächlich genannt, die „nicht einmal für einen vier Wochen alten Säugling Platz hatten. Sardinen in der Dose hatten mehr Bewegungsfreiheit.“ Nun will er die Notunterkünfte in Vigatá ansehen. Der Commissario will damit nichts zu tun haben. Zudem nerven ihn ein Gespräch mit Livia, seiner langjährigen Verlobten und die Gedanken an François, einen tunesischen Flüchtlingsjungen, den sie fast adoptiert hätten. Livia hatte sehr an ihm gehangen. Montalbano konnte sich nicht dazu durchringen. François verschwand spurlos, als er volljährig war. Da geht er doch lieber in die neue und einzige Kunstgalerie in Vigatá. Und begegnet Mariangela De Rosa (für meine Freunde Mariam), der Galeristin. In diese Gemengelage platzt ein seltsamer Überfall auf die 21-jährige Frau eines etwa 50-jährigen Supermarktbesitzers, der Fund eines Munitionslagers in einer Kate im Nirgendwo, durch Schusswaffen enthauptete Mandelbäume, Waffenschmuggel für einen guten Zweck und ein durch und durch suspekter Kunstdeal.
Auch in seinem 19ten Fall bereitet Andrea Camilleri (92) seinem Commissario Salvo Montalbano einen verzwickten Fall, köstliche Gerichte, aber vor allem einiges an Herzschmerz. Wieder einmal hat er es mit schönen Frauen zu tun. Die einen belügen ihn nach Strich und Faden, eine andere verdreht ihm so den Kopf, dass er sogar seine Liebe zu Livia in Zweifel zieht. „Die Spur des Lichts“ ist eine Geschichte übers Altern. Über Lebenskrisen, Einsamkeit, den Wunsch noch mal neu anzufangen. Dabei hat dieser Roman wieder die Leichtigkeit einer Feder, die Spritzigkeit von Prosecco, eine ordentliche Prise Humor und die nötige Spannung, die jedem Montalbano-Krimi zu eigen ist. Dazu trägt das Personal bei. Das sind vor allem die Mitarbeiter des Commissario. Catarella, das Faktotum wird immer verdrehter, Mimì Augello, der Stellvertreter ist nach wie vor ein Schürzenjäger und Fazio verlässlich wie eh und je. Hinzu kommen nicht nur schöne, sondern auch kluge und schlagfertige Frauen. Und ebenso hässliche wie dumme und geckenhafte Männer. Und kleine und große Köstlichkeiten der sizilianischen Küche natürlich. Kleine Ganoven sind immer gut für ein paar hilfreiche Informationen, auch wenn sie offiziell unbrauchbar sind. Eine Kostprobe: „Und selbst wenn ich das Wunder vollbringen würde, sie als Zeugen vorzuladen, würde ihnen niemand glauben.(…) Sie sind Diebe und damit automatisch als notorische Lügner abgestempelt. Viele Lügner und Straftäter, die nicht rechtskräftig verurteilt wurden, können hingegen lügen und stehlen, soviel sie wollen. Ihnen glaubt man, denn sie sind Anwälte, Politiker, Wirtschaftsfachleute, Banker und so weiter und so fort.“ Damit schlägt er sich seit Jahren herum und greift mal wieder in die Trickkiste.
Montalbano ist nicht ganz bei der Sache. Seine eigene Befindlichkeit setzt ihm arg zu. Livia, die ewige Verlobte oder Mariam, die neue Verliebtheit. Wie soll er sich entscheiden? Ein wenig Ruhe findet er an der Mole. Nach dem obligatorischen Mittagessen sieht er dort den Krebsen zu, spielt und redet mit ihnen. Durch die Lösung eines der Fälle findet er auch zu einer persönlichen Entscheidung. Bis dahin ist „Die Spur des Lichts“ ein höchst kurzweiliger, unbedingt zu empfehlender Sommerkrimi.