Wie kommunistische Parteien das britische Referendum sehen

Der Brexit und wir

Innere Widersprüche

Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) sieht den Brexit als Ausdruck der kapitalistischen Konkurrenz:

„Die Tatsache, dass die Frage des Austritts eines Landes aus der EU – und zwar der Größe von Großbritannien – so stark gestellt wurde, liegt einerseits an den inneren Widersprüchen der EU und der Ungleichmäßigkeit ihrer Volkswirtschaften, andererseits am Konflikt zwischen den imperialistischen Machtzentren, die in der Zeit der Wirtschaftskrise verschärft wurde. Diese Faktoren stärken den sogenannten Euroskeptizismus (…)

Träger des reaktionären ‚Euroskeptizismus‘ sind nationalistische, rassistische oder auch faschistisch orientierte Parteien (…). Die Tendenz des ‚Euroskeptizismus‘ wird auch durch Parteien vertreten, die ein linkes Etikett benutzen, die die EU und den Euro kritisieren oder gar ablehnen, die nach anderen imperialistischen Bündnissen suchen, und die immer innerhalb des kapitalistischen Systems verbleiben.

Diese Widersprüche und Konkurrenzen durchdringen auch die Bourgeoisie jedes EU-Mitgliedstaates.“

EU neu gründen

Pierre Laurent, Nationalsekretär der Französischen Kommunistischen Partei (PCF) und Vorsitzender der Europäischen Linkspartei, fordert, dass die Linke das europäische Projekt wieder in die Hand nimmt:

Das Ergebnis des Referendums „ist ein neuer enthüllender Schock über das Ausmaß der Ablehnung der Menschen gegenüber der neoliberalen EU. Die Zeit ist gekommen, die EU neu zu gründen, eine Union der freien, souveränen und miteinander verbundenen Völker und Nationen aufzubauen, die auf den menschlichen Fortschritt und soziale Gerechtigkeit ausgerichtet ist. (…)

Wir weisen das von den Verfechtern der Austeritätspolitik aufgezwungene falsche Dilemma zwischen Einsinken in die soziale Krise und Autoritarismus oder Zerfall vor dem Hintergrund nationalistischer Rivalitäten zurück. Es gibt eine andere Option, die des Wieder-in-die-Hand-Nehmens des europäischen Projekts durch die Linke.“

Verträge in Frage stellen

Für die belgische Partei der Arbeit (PTB-PvdA) schätzt Marc Botenga ein:

„Die britischen Arbeiter, die für den Brexit gestimmt haben, haben die Nase voll. Die Nase voll vom Sozial­dumping mithilfe der importierten ausländischen Arbeiter, einem Dumping, das von den britischen Unternehmern gemeinsam mit der Europäischen Union organisiert wird. Die Nase voll davon, dass ihre heimische Industrie zerstört und Arbeitsplätze vernichtet werden. Die Nase voll, dass ihre Eisenbahn durch die Privatisierungen kaputt gemacht wurde. Sie haben die Nase voll davon, dass ihrem Gesundheitssystem dasselbe Schicksal droht. (.…)

Eine Kursänderung ist notwendig. Wir müssen dieses Europa der Konkurrenz und der Ungleichheit stoppen, das nur die Wahl lässt zwischen mehr Autoritarismus oder der Rückkehr der Nationalismen. Das beginnt mit einer Infragestellung der gegenwärtigen europäischen Verträge, um aus dem neoliberalen Zwangseisen herauszukommen.“

Neuer Anfang

João Ferreira (MdEP), Portugiesische Kommunistische Partei, stellt fest:

„Der Sieg des Austritts aus der EU (…) drückt einen weitreichenden Wandel im Prozess der kapitalistischen Integration in Europa und einen neuen Beginn des Kampfes für diejenigen aus, die seit Jahrzehnten die EU der Großkonzerne und Großmächte bekämpft haben, für ein Europa der Arbeiter und der Völker. (…) (D)as Ergebnis des Referendums zeigt vor allem die Ablehnung der EU-Politik.“

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"Der Brexit und wir", UZ vom 1. Juli 2016



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