Am 12. März verkündete der BND in „Zeit“, „Süddeutscher Zeitung“ und „Neue Zürcher Zeitung“, er habe schon 2020 herausgefunden, dass Covid-19 mit hoher Wahrscheinlichkeit von 80 bis 95 Prozent aus einem chinesischen Labor stamme. Am präzisesten formulierten die Schweizer: „Die Indizien sind bioinformatischer Natur, aber auch nachrichtendienstliche Recherchen haben dazu beigetragen, die Wahrscheinlichkeit einer Laborherkunft zu erhöhen.“ Auf Hochdeutsch heißt das wohl: Naturwissenschaft wurde durch geheimdienstliche, also politische Arbeit ergänzt.
Die Meldung hatte die üblichen Reflexe im westlichen Mediengewerbe zur Folge, ansonsten ging die „investigative Recherche“ nach hinten los. Der Virologe Christian Drosten, der an einer Expertenrunde zu der BND-Erzählung teilgenommen hatte und zur Verschwiegenheit verpflichtet worden war, kritisierte, dass die Quelldaten nicht zugänglich gemacht worden seien. Er könne daher „kein wissenschaftliches Urteil abgeben“. Angela Merkel ließ mitteilen, sie weise den sofort etwa von Wolfgang Kubicki (FDP) erhobenen Vorwurf, sie habe als Kanzlerin vertuscht, „ganz grundsätzlich zurück“. Die chinesische Außenamtssprecherin reagierte am 13. März kühl: Die Frage nach dem Ursprung von Covid-19 sei nach Ansicht Chinas eine wissenschaftliche Frage, die von Wissenschaftlern zu beantworten sei, nicht durch „politische Manöver“.
Der BND-Knallfrosch schien geplatzt. Der Kontext besagt aber etwas anderes: Der Westen hat das Thema, woher das Virus kam, zu einem festen Bestandteil seiner Anti-China-Propaganda gemacht. Strapaziert wird dabei die Forderung der WHO, China möge mehr dazu mitteilen. Das Verlangen wurde zuletzt am 30. Dezember 2024 in einer WHO-Erklärung zum fünften Jahrestag der ersten offiziellen Informationen über eine virale Lungenentzündung in der 12-Millionen-Metropole Wuhan formuliert: „Wir fordern China weiterhin auf, Daten und Zugang zu teilen, damit wir die Ursprünge von Covid-19 verstehen können. Dies ist ein moralisches und wissenschaftliches Gebot.“

Politische Instanzen in den USA haben längst alles so entschieden wie der BND: Das Virus kam aus einem chinesischen Labor. Im Dezember 2024 stand das im 520-seitigen Bericht eines von Republikanern geführten Unterausschusses des Repräsentantenhauses. Das entsprach zwar nicht der Mehrheitsmeinung von Fachleuten, aber der Auffassung Donald Trumps. Er hält Naturwissenschaft ohnehin für Verschwendung und entzieht ihr gerade Staatsfinanzen. Um Warnungen vor einer unbekannten Epidemie in der Region Wuhan, die ihm im November 2019 vorgelegt worden waren, hatte er sich als Fachmann nicht gekümmert. Zu den ersten Anordnungen seiner zweiten Amtszeit gehörte nun, die WHO zu verlassen. Die hatte er vor fünf Jahren beschuldigt, „China-zentriert“ zu sein, und kraft seiner Expertise empfohlen, das „China-Virus“ mit Sonne und „Desinfektionsmitteln, die das Virus in einer Minute ausknocken“, zu bekämpfen. Er selbst nahm schließlich zur Prophylaxe das Malariapräparat Hydroxychloroquin ein, ein „Geschenk Gottes“, und empfahl Ärmeren Bleichmittel. Bis Mitte 2022 starben in den USA rund eine Million Menschen an und mit Covid-19, in China bis Ende 2022 122.000.
Kurz nach dem zweiten Amtsantritt ernannte Trump zudem im Januar den texanischen Abgeordneten John Ratcliffe zum neuen CIA-Direktor. Ratcliffe ließ umgehend mitteilen: Die CIA schätze ein, „ein forschungsbedingter Ursprung der Covid-19-Pandemie“ sei „wahrscheinlicher“ als ein natürlicher Ursprung.
Diese Art von Kopf- und Politikvirus fing sich offenbar der BND ein, bis dann „SZ“-Starjournalisten wie Georg Mascolo und Holger Stark nach mühevoller Investigation die Folgen mitteilten. Den Rest erledigen der ausgewiesene Virenkenner Donald Trump und seine CIA-Forscher.