Am vergangenen Samstag landeten 52 kubanische Ärztinnen und Ärzte und Pflegepersonal auf dem Flughafen Mailand-Malpensa, um die wohlhabendste und am stärksten industrialisierte Region Italiens in der Coronakrise zu unterstützen. Angesichts eines zusammengebrochenen Gesundheitssystems, erschöpfter Medizinerinnen und Mediziner und fehlender Pflegekräfte hatte der Gesundheitsminister der Lombardei, Giulio Gallera, Kuba, China und andere Länder um Hilfe gebeten.
Kuba verfügt seit Jahrzehnten über mehr Erfahrungen in der Eindämmung von Infekten und Seuchen als viele andere Staaten. So gehört etwa die HIV-Infektionsrate in Kuba zu den niedrigsten der Welt. Beim Choleraausbruch nach dem schweren Erdbeben in Haiti im Jahr 2010 und bei der Ebolaepidemie 2014 in Westafrika retteten kubanische Mediziner zigtausenden Menschen das Leben.
Einen Grund für das Potential und die Erfolge Kubas sehen Experten unter anderem darin, dass das Gesundheitssystem dort nicht als Geschäft, sondern als Menschenrecht betrachtet wird. Ein flächendeckendes Netz medizinischer Versorgung, die kostenlose Ausbildung von Medizinern und die unentgeltliche Versorgung der gesamten Bevölkerung entsprechen ebenso dem kubanischem Selbstverständnis wie die internationalistischen Hilfseinsätze des auf Initiative Fidel Castros gebildeten medizinischen „Kontingent Henry Reeve“. Davon profitieren außer Italien jetzt auch weitere Länder, deren auf Gewinn und Effizienz getrimmte Gesundheitssysteme mit der Versorgung von Kranken und den notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie überfordert sind. Zeitgleich mit Ankunft kubanischer Mediziner in der Lombardei trafen am Samstag auch 140 Mitglieder des Henry-Reeve-Kontingents in Jamaika ein. Einen Tag zuvor waren medizinische Spezialeinheiten aus Kuba in Grenada, Surinam, St. Kitts und Nevis sowie St. Vincent und den Grenadinen eingetroffen. Auch progressiv regierte Länder, die wie Kuba unter Sanktionen der USA leiden, erhalten Hilfe. Seit dem 18. März ist eine Gruppe von Spezialisten der Intensivmedizin, der Epidemiologie sowie Virologen in Nicaragua tätig. Auch in Venezuela sind Expertenteams aus Kuba zur Verstärkung und Beratung von mehr als 20.000 venezolanischen Medizinerinnen und Medizinern, die in den vergangenen Wochen speziell für Coronaeinsätze geschult wurden, im Einsatz. Am vergangenen Freitag landeten 136 weitere Mitglieder des Henry-Reeve-Kontingents in Caracas.
Darüber hinaus leistet die Insel auch mit pharmazeutischen Produkten, wie dem in Kuba und in einem kubanisch-chinesischen Joint-Venture-Unternehmen auch in China produzierten Interferon-Medikament „Heberón Alpha R“ einen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie. Der Direktor der staatlichen pharmazeutischen Unternehmensgruppe „BioCubaFarma“, Dr. Eduardo Martínez Díaz, versicherte in der vergangenen Woche, dass die Produktion von 22 Medikamenten zur Behandlung von Covid-19-Infektionen, trotz der von Washington ständig verschärften Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, garantiert sei. „Wir müssen der Pandemie mit einer globalen Vision entgegentreten“, so das Außenministerium in Havanna zu den zahlreichen Anfragen aus verschiedenen Teilen der Welt.
Seit 1963 waren bisher rund 400.000 kubanische Medizinerinnen und Mediziner in 164 Ländern tätig. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums sind derzeit Spezialisten von der Insel im Rahmen von internationalen Kooperationen in 59 Ländern im Einsatz, von denen bereits mehr als 30 eine Zunahme von Coronainfektionen verzeichnen. Während einige Staaten die Einsätze vergüten, kommt Havanna in 22 Ländern allein für die Kosten auf. Wegen der ständig verschärften US-Blockade ist das für die seit Dienstag durch ein Einreiseverbot für Touristen zusätzlich belastete Wirtschaft der Insel ein zunehmendes Problem. Durch die US-Blockade ist dem kubanischen Gesundheitswesen zwischen April 2018 und März 2019 ein finanzieller Schaden in Höhe von mehr als 104 Millionen US-Dollar (rund 98 Millionen Euro) zugefügt worden. Experten wie der Direktor des Zentrums für nachhaltige Entwicklung an der Columbia University, Professor Jeffrey Sachs, warnen davor, dass „die Coronapandemie durch die Sanktionen gegen Kuba und andere Länder verstärkt wird“. Die US-Blockade konterkariere die Bemühungen Kubas zur Eindämmung der Pandemie, erklärte eine Gruppe von US-Ökonomen um den bekannten Wirtschaftswissenschaftler Dean Baker. Die Wissenschaftler forderten die Regierung der USA deshalb auf, alle Sanktionen gegen Kuba, Venezuela und andere Länder unverzüglich aufzuheben.