Kuba räumt nach Stromausfall und Hurrikan auf

Der Blockade trotzen

In Ecuador darf an diesem Donnerstag nicht gearbeitet werden. Per Dekret hat der seit Anfang des Jahres nur noch mit Ausnahmezustand regierende rechte Staatschef Daniel Noboa angeordnet, den Arbeitstag wegen Stromabschaltungen im gesamten Staatsgebiet für den öffentlichen und privaten Sektor auszusetzen. Obwohl der autoritär herrschende Bananenunternehmer das Land seit Monaten wie eine seiner Plantagen regiert, Rechte wie die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Brief- und Postgeheimnis sowie die Versammlungsfreiheit ausgesetzt sind und in zahlreichen Orten von zehn Uhr am Abend bis fünf Uhr morgens eine Ausgangssperre gilt, ist die seit Wochen anhaltende Energiekrise für bundesdeutsche „Qualitätsmedien“ kein Thema. Ebensowenig wie die Situation der rund 18 Millionen Einwohner des südamerikanischen Landes, denen von Noboas Behörden am vergangenen Freitag lapidar mitgeteilt wurde, dass die Stromabschaltungen bis auf weiteres von acht auf 14 Stunden pro Tag ausgedehnt werden.

„Das Fleisch vergammelt in den Kühlschränken, Ventilatoren und Klimaanlagen stehen still, kein Fernseher und kaum ein Mobiltelefon läuft noch“, empörte sich nur das „Handelsblatt“ am 20. Oktober. Damit war allerdings nicht die anhaltend katastrophale Lage vieler Menschen in Ecuador gemeint, sondern die Situation in Kuba, wo die Versorgung nach einem mehrtägigen Blackout in den meisten Teilen des Landes zügig wieder hergestellt wird. Auch der Wiederaufbau im Osten der Insel, wo der Hurrikan Oscar während des Blackouts immense Verwüstungen hinterließ, war bis Anfang der Woche gut vorangekommen. Da das ansonsten vorbildliche Frühwarnsystem Kubas wegen des Stromausfalls nur eingeschränkt funktionsfähig war, kamen jedoch sieben Menschen ums Leben. Stromleitungen stürzten um, Ackerflächen wurden überschwemmt, Straßen versanken in Schlammlawinen. Die Kaffeeernte, Obstbäume und Bananenstauden wurden vernichtet. Doch anders als etwa in den USA, begannen in Kuba sofort nach Durchzug des Tropensturms die Aufräumarbeiten. Bautrupps stellten Straßenverbindungen wieder her, reparierten Brücken und Stromleitungen. Staatliche Stellen und freiwillige Helfer verteilten Lebensmittel und Kleidung. Das kubanische Unicef-Büro lieferte 1.498 Kilogramm Medikamente und Verbrauchsmaterial für die medizinische Versorgung von 140.000 Menschen, insbesondere von schwangeren Frauen, Kindern und Jugendlichen in der am schwersten betroffenen Region von Guantánamo. Sach- und Geldspenden von Einzelpersonen, Solidaritätsorganisationen und befreundeten Ländern sind eine wichtige Hilfe bei der Beseitigung der Schäden.

Während Solidaritätsgruppen weltweit Unterstützung für die Betroffenen organisierten, erinnerten westliche Medien an die Krawalle vom Juli 2021 und fabulierten wieder einmal über Chancen für einen Systemwechsel. „Bringt der Stromausfall in Kuba das Regime zu Fall?“, so etwa der „Tagesspiegel“ am 22. Oktober. „Die Frustration über die Situation entlädt sich teils in kleinen Demonstrationen in der Hauptstadt Havanna, aber auch im Rest des Landes. Wütend schlagen die Menschen auf ihre Kochtöpfe“, suggerierte das ARD-Studio in Mexiko-Stadt am selben Tag auf „tagesschau.de“ Parallelen zu Chile vor dem CIA-Putsch gegen Salvador Allende. „Im Zentrum von Havanna wurden Barrikaden aus Müll errichtet“, trug auch das Onlineportal „web.de“ zur Stimmungsmache bei. Deutsche „Qualitätsmedien“ übernahmen wie bereits bei früheren Anlässen ungeprüft Angaben und Kampagnen der Contras. Wie etwa die des in Madrid von Exilkubanern herausgegebene und von der halbstaatlichen US-Denkfabrik NED finanzierten Portals „Diario de Cuba“, dessen Aufforderung zu Protesten gegen die Regierung in Havanna allerdings so gut wie keinen Erfolg hatte. Das läge nur an der „Repression“, begründete das staatliche US-Portal „Martí Noticias“ das Ausbleiben der erhofften Massenproteste, nachdem Präsident Díaz-Canel – wie bei ähnlichen Notlagen auch in anderen Ländern üblich – angekündigt hatte, keine „Akte von Vandalismus“ zuzulassen. Immerhin räumte das „Handelsblatt“ abweichend vom Mainstream ein: „Noch gibt es keine Berichte über Proteste im Land.“ In der Einschätzung, dass die Hauptursache allen Übels der Sozialismus sei, herrschte dann wieder Übereinstimmung.

Anders als etwa in Ecuador sei „einer der Gründe“ für die Stromausfälle in Kuba „die ineffizient organisierte Wirtschaft“, belehrte „web.de“ die Leser. Das Portal fügte allerdings hinzu: „Die autoritär regierenden Kommunisten machen die Sanktionen des großen Nachbarlandes, die sie als Blockade bezeichnen, für viele Probleme verantwortlich.“ Tatsächlich hatte die KP-Zeitung „Granma“ am Freitag vergangener Woche darauf hingewiesen, dass „jede Analyse der aktuellen Energiesituation in Kuba von der konkreten Tatsache ausgehen muss, dass uns der Kauf von Treibstoff, Maschinen, Werkzeugen und anderen Ressourcen verwehrt wird, die notwendig sind, um die durch die Blockade verursachte Verschlechterung der Energieinfrastruktur zu beheben“. In der UN-Generalversammlung stand in dieser Woche auch deshalb zum 32. Mal in Folge die Forderung zur Abstimmung, die seit sechs Jahrzehnten andauernde US-Blockade gegen Kuba zu beenden. Das Ergebnis lag bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht vor, dürfte sich aber kaum wesentlich von dem im vorigen Jahr unterscheiden. Am 2. November 2023 hatten 187 Länder Washington zur sofortigen Einstellung der völkerrechtswidrigen Sanktionen aufgefordert. Nur die USA und Israel stimmten dagegen, während die Ukraine sich der Stimme enthielt. US-Filmemacher und Oscar-Preisträger Michael Moore fasste die vorangegangene UN-Debatte mit der Feststellung zusammen, dass „kein anständiger Mensch wirklich glauben kann, dass die Vereinigten Staaten in dieser Frage auf der richtigen Seite stehen“.

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"Der Blockade trotzen", UZ vom 1. November 2024



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