Am Donnerstag der vergangenen Woche wurde im Bundestag – kurz vor dem Ende der Legislaturperiode – mit den Stimmen der Koalitionsparteien und gegen die Stimmen der Opposition sowie zweier SPD-Abgeordneter schnell noch eine Reform der Strafprozess- ordnung beschlossen. Wesentliche Änderungsvorschläge waren den Abgeordneten am Freitag der Vorwoche erst „nach Dienstschluss“ übergeben worden. Der Entwurf wurde am Montag durch den entsprechenden Bundestagsausschuss „gepeitscht“. Im Hinblick auf die Tragweite des beschlossenen Gesetzes ist das ein mehr als fragwürdiges Vorgehen.
Die Oppositionsparteien im Bundestag bezeichneten bereits während der Debatte einige der nun beschlossenen Neuregelungen als verfassungswidrig. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele kündigte eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an: „Dieses Gesetz darf so nicht durchkommen. Dieses Gesetz muss spätestens in Karlsruhe fallen.“ Er sprach von einem „substanziellen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung“. Jörn Wunderlich von der Fraktion der Linkspartei erläuterte, was nun vorliege, sei „eines der invasivsten Überwachungsgesetze der vergangenen Jahre“. Aus Ausnahmemaßnahmen zur Terrorabwehr sollten „Standardmaßnahmen der Polizei werden“. Die Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags, die Grünen-Politikerin Renate Künast, sagte später gegenüber der „Berliner Zeitung“: „Der Staat kann künftig dauerhaft seine Bürger ausspähen“ und dabei handele es sich „um schwerste Grundrechtseingriffe, die nahezu ohne öffentliche Debatte in die Strafprozessordnung aufgenommen werden“.
Dagegen begrüßte der Deutsche Richterbund (DRB) das Gesetz: „Es ist wichtig, dass der Gesetzgeber die Strafverfolgungsbehörden bei der Überwachung von Telekommunikation wieder auf die Höhe der Zeit bringt.“
Kern der Auseinandersetzung sind jene Festlegungen, die den Strafermittlern neue Instrumente in die Hand geben sollen. Nämlich um, wie es auf der Web-Seite des Bundestages heißt, „verschlüsselte Kommunikation von Verdächtigen abfangen und die Speicher ihrer Rechner unbemerkt durchsuchen zu können“. Dazu gehört eine massive Ausweitung des Einsatzes des sogenannten Staatstrojaners immer dann, wenn das direkte Abhören von Telefonaten oder Mitlesen von SMS nicht mehr ausführbar ist. Möglich wird es nun – durch auf Handys, Tabletts oder Computer verdeckt aufgespielte Schadsoftware, die Sicherheitslücken im Betriebssystem nutzt, Daten direkt auf Geräten von Verdächtigen abzugreifen und sie „mitzulesen“. Durch die Spionagesoftware, den „Staatstrojaner“, könnten verschlüsselte Messengerdienste wie WhatsApp künftig von Geheimdiensten oder dem BKA einfacher überwacht und ausgewertet werden. Das neue Gesetz erlaubt in diesem Zusammenhang zudem auch vollständige Online-Durchsuchungen.von Computern und Handys und damit auch den Zugriff auf sensible persönliche Daten. Das ist neu, denn bislang war das nur zur Terrorabwehr möglich. Angeblich soll all das nur auf richterlichen Beschluss erfolgen und weiter dazu dienen, Terroranschläge zu vereiteln, zudem aber auch andere schwere Straftaten. Jetzt ist aber ein solches Vorgehen auch bei Bestechlichkeit, Geldfälschung oder Asylvergehen erlaubt. Demnächst könnten Bürgerinnen und Bürger, so Künast, schon bei kleinen Vergehen betroffen sein.
Kritik kommt vom Deutschen Anwaltsverein (DAV), massive Kritik äußerte auch der frühere Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Peter Schaar. Er hält Klagen in Karlsruhe für aussichtsreich. Schaar, der unter anderem Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID) ist, kritisierte auf deren Seiten den Beschluss der Bundestagsmehrheit als „Grundrechtsbeschränkung im Schnelldurchgang“.