Nächste Woche üben Polizei und Bundeswehr den gemeinsamen Kampf gegen Terroristen

Den Krieg im Innern proben

Von Andreas Grimm

Wer braucht diese Übung?

Der Friedenstreff Bad Cannstatt (Stuttgart) ruft auf, am 7. März um 17.30 Uhr vor der Theodor-Heuss-Kaserne die Getex-Übung zu beobachten und dagegen zu protestieren. DKP und Linkspartei unterstützen die Aktion. In seinem Aufruf schreibt der Friedenstreff:

„Bei ‚Getex‘ soll (…) der Bundeswehreinsatz im Inneren herbei geübt und damit hoffähig gemacht werden. Es geht hier nicht um den Schutz der Bevölkerung, sondern um einen letztlich grundgesetzwidrigen Akt der Militarisierung nach innen! (…)

Der Friedenstreff Bad Cannstatt fragt: Wenn ein Terrorist (wie Anis Amri) von einem V-Mann des Verfassungsschutzes zum Tatort kutschiert wurde, wenn Terroristen bzw. Gefährder (wie Anis Amri) den Behörden bestens bekannt sind, sie aber nicht an von ihnen selbst angekündigten Anschlägen gehindert wurden, dann soll das alles an mangelnder Übung liegen? Wenn Anschläge verhindert werden können und es nicht geschieht, haben wir dann nicht ein anderes Problem? Welchen Zweck haben die gemeinsamen Übungen wirklich? Wer braucht diese Übung für was und in wessen Interesse?

Deshalb: Nein zum Bundeswehreinsatz im Inneren! Die Bundeswehr darf nicht zur Bürgerkriegsarmee werden!“

Vom 7. bis zum 9. März findet in sechs Städten der Bundesrepublik die Übung „Getex 2017“ von Polizei und Bundeswehr für den Fall eines Terroranschlags statt. Laut Deutschem Bundeswehrverband nehmen daran Einheiten aus Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland teil. Es geht also um den in den letzten Jahren im „Kampf gegen den internationalen Terrorismus“ immer wieder angekündigten Einsatz der Bundeswehr im Inneren im Falle einer Überforderung der Polizei. In einem fingierten Spektakel werden in mehreren Städten gleichzeitig Anschläge verübt, die von Polizei und Militär gemeinsam bekämpft werden müssen. Eine Kampfeinheit mit dem Namen „Kata aib Saif Alnabi“ (Kampfeinheiten des Schwertes des Propheten) zündet in einem bayerischen Bahnhof eine Bombe, die 20 Menschen in den Tod reißt, während gleichzeitig in einer Bremer Schule eine weitere Bombe hochgeht und in der Nachbarschule eine Schießerei stattfindet. Noch eine Bombe detoniert im Terminal des Düsseldorfer Flughafens mit zahlreichen Opfern, auf dem Flugfeld taucht eine Flugabwehrrakete auf. Wiederum in Bayern wird ein Bus gekapert und dabei eine Geisel erschossen. Wenngleich eine solche analog ablaufende Anschlagserie von Ursula von der Leyen als unwahrscheinlich, aber denkbar angesehen wird, stellt sich die Frage, was nun der konkrete Anlass dieser mit Innenminister de Maizière klandestin vereinbarten Übung ist. Diesen beiden Ministern zufolge gilt es, das hoheitliche Handeln der Bundeswehr bei Einsätzen im Landesinnern zu erproben.

Wie diese Übung konkret aussehen wird, verraten die Behörden der Öffentlichkeit nicht. Thomas Wiegold, Autor über Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, erläutert in seinem Internet-Blog „Augen geradeaus!“ den „Befehl Nr. 1 zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung einer gemeinsamen Stabsrahmenübung“. Er stellt fest, dass schon bisher technische Amtshilfe der Bundeswehr für andere Behörden möglich war – vermutet aber, dass die Getex-Übung genutzt werden könnte, um zukünftig Soldaten für hoheitliche Aufgaben im Inland einsetzen zu können. Es bedarf auch, wie man hinzufügen kann, keines Panzer- und Hubschraubereinsatzes, einen Lastwagen daran zu hindern, auf einem Weihnachtsmarkt in eine Menschenmenge zu fahren, zumal wenn der potentielle Attentäter den Behörden bereits bestens bekannt ist.

Das Unternehmen sollte ursprünglich überhaupt geheim gehalten werden, wurde aber schließlich vom Deutschen Bundeswehrverband veröffentlicht, der einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren als „Lückenfüller der Polizei“ selbst ablehnt.

Das „Getex“-Projekt wurde Mitte letzten Jahres in Bonn vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe entworfen und im November 2016 von der Bundesregierung beschlossen. Während in Nordrhein-Westfalen die Übung am Computer simuliert wird, muss damit gerechnet werden, dass sie in anderen Bundesländern reell vorgenommen wird, was einem Probeausnahmezustand gleichzusetzen wäre.

Ein konkreter Anlass für die Übung wird von den Verantwortlichen nicht genannt, die Idee wurde ein halbes Jahr vor dem Anschlag in Berlin entworfen. Die Übung wird, wenn sie auch außerhalb der Kommandozentralen und auf der Straße stattfindet, für den größten Teil der betroffenen Bevölkerung überraschend kommen und zu einer weiteren Hysterie gegenüber der muslimischen Bevölkerung führen und soll womöglich durch zunehmende Militärpräsenz Sicherheit vermitteln. Die Militarisierung der Städte ist ein alarmierendes Zeichen, das zusammen mit der zunehmenden Aggression nach außen und der durch von der Leyen auf der NATO-Sicherheitskonferenz beschworenen Aufstockung der Rüstungsausgaben für die NATO auf 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ein einheitliches Bild abgibt.

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"Den Krieg im Innern proben", UZ vom 3. März 2017



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