4-Parteien-Konferenz diskutierte die Rolle der Parteien in den Kämpfen

Den Kapitalismus notbremsen

Von Günter Pohl

In den Niederlanden, im kleinen Ort Oisterwijk in der Provinz Brabant, richtete die Neue KP der Niederlande am 9. und 10. März die diesjährige Vier-Parteien-Konferenz unter Teilnahme der Partei der Arbeit Belgiens, der KP Luxemburgs, der Partei der Arbeit der Schweiz als Beobachterpartei und der DKP aus. Thema der Konferenz war die Rolle der Parteien in den Klassenkämpfen und ob die Parteien der selbst gestellten Aufgabe als Avantgarde gerecht werden können. Der Konferenz ging eine ansehnliche Demonstration durch die Stadt Tilburg voraus, die das Anwachsen der faschistischen Gefahr in Europa thematisierte.

Die gastgebende NCPN eröffnete die Konferenz anlässlich des Internationalen Frauentags mit einem Beitrag der Genossin Moraya Hussein, die darstellte, wie der Kommunistische Jugendverband die gesellschaftliche Rolle der Frauen aus sozialistischem Blickwinkel angeht, und analysierte die Rolle der Frauen im Klassenkampf. Viele Illusionen bei den Mainstream-Feministinnen seien zu kritisieren.

Im Vorfeld hatten sich die vier Parteien für den ersten Diskussionsblock auf theoretische Beiträge zum Eingreifen von Kommunistischen Parteien unter heutigen Bedingungen geeinigt. Dazu wurde ein Text des Sekretärs der Eisenbahnersektion der französischen Gewerkschaft CGT, Laurent Brun, herangezogen. Seine Französische KP hatte Brun im Vorfeld des letztjährigen Parteitags zu einer Rückkehr zu aktiven Klassenkämpfen statt dem Vorrang politischer Bündnisse aufgefordert. Aris Spanoudis (NCPN) sieht die Rolle der Partei in der Gewerkschaftsbewegung als deutlich zu gering an. Der dringend notwendige Aufbau von Betriebsgruppen soll die Gewerkschaften in eine kämpferischere Haltung treiben. Für die DKP orientierte Vorsitzender Patrik Köbele auf eine verstärkte Zusammenarbeit der fortschrittlichen Kräfte. Auch in der DKP ist die betriebliche Verankerung unterentwickelt, die Partei könne dem mit der Einführung von Branchenbetriebsgruppen in bescheidenem Rahmen, aber durchaus erfolgreich entgegenwirken.

Die Partei der Arbeit Belgiens hat in ihrem Land keine Konkurrenz einer Linkspartei, sondern deckt in ihren Reihen kommunistische wie auch linksreformistische Forderungen ab. Dementsprechend sind ihre Bedingungen zur Entwicklung günstiger, die sie im Gegensatz zu vielen reinen Linksparteien in Nachbarländern allerdings auch konsequenter nutzt. Genossin Alice Bernard erklärte, wie Grundeinheiten auch themenbezogen gebildet wurden, um in einer zweiten Phase die Arbeit auf die Betriebe zu verlagern. Der KPL-Vorsitzende Ali Ruckert führte in einem theoretischen fundierten Beitrag die vier unabdingbaren Merkmale aus, deren Beachtung wesentlich für eine KP sind: Orientierung auf die Arbeiterklasse, Klassenkampf auf wirtschaftlicher, ideologischer und politischer Ebene, Sozialismus und Kommunismus als Ziel, proletarischer Internationalismus. Unabhängig davon konstatiert auch die KPL, dass sie angesichts fehlender betrieblicher Verankerung weit von einem revolutionären Führungsanspruch entfernt ist. Gleiches gilt für die Partei der Arbeit der Schweiz, deren Nationalsekretär Jeannot Leisi den Bewusstseinsstand der Klasse als niedrig beschrieb; im Gewerkschaftsverband UNIA hat die Partei zwar einige hauptamtlich Beschäftigte, sieht derzeit aber keine Option, die UNIA progressiv zu verändern.

Im zweiten Diskussionsblock wurden konkrete Erfahrungen ausgewertet. Die PTB berichtete von erfolgreich organisierten Streiks am Flughafen Zaventem, wo sie mit wenigen Mitgliedern über das Prinzip „Sensibilisieren – Orientieren – Mobilisieren“ den Verlauf des Arbeitskampfs kämpferisch beeinflussen konnte. Lohn ist auch eine Verdopplung der PTB-Mitgliedschaft am Flughafen. Die DKP beschrieb durch den Sekretär für Betrieb und Gewerkschaft, Olaf Harms, den erfolgreichen Verlauf der Streiks im Gesundheitswesen, wobei die DKP in den Kliniken in Essen und Düsseldorf an den Kämpfe n beteiligt war und sie unterstützte. Dem Fallpauschalensystem setzte ver.di ein „Betten leer streiken“ entgegen, indem sie vorab ankündigte, auf welcher Station die Arbeit niedergelegt werde.

In Luxemburg kommen mittlerweile 48 Prozent der Bevölkerung aus EU- und anderen Staaten; hinzu kommen mehr als 180 000 Grenzgänger/innen. Das Fehlen einer gemeinsamen Sprache macht es der KPL schwer, mit diesen Menschen zusammenzuarbeiten, so Gilbert Simonelli. Der KPL gelang es zuletzt nicht, in Kämpfen eine wichtige Rolle zu spielen. Auch die NCPN ist vom politischen Anspruch weit entfernt. Jan Ilsink erläuterte, wie in den Niederlanden Rentenpolitik und Klassenbewusstsein zusammenhängen.

Der Erfolg der Konferenz bestand im interessanten Austausch über die aktuellen Kämpfe und der schonungslosen Analyse der eigenen Schwäche, die eine Schwäche nicht nur der Kommunist/inn/en ist, sondern sich bei Links- und sozialdemokratischen Parteien spiegelt, was dringend Antworten erfordert – ist doch die Revolution nach Walter Benjamin nicht etwa ein außer Kontrolle geratener Zug, sondern die erforderliche Benutzung seiner Notbremse.

Weit entfernt von Pessimismus demonstrierten die fünf Parteien am Abend, worin ihre Stärke besteht und was sie bei aller Schwäche nie vergessen … In einer zweistündigen Debatte informierte Wilhen Díaz, Geschäftsträger von Venezuelas Botschaft in Den Haag, über die aktuellen Entwicklungen in seinem Land. In der Diskussion spielten die Versuche diverser EU-Staaten wie Deutschland sowie der USA, faktisch die Regelbasiertheit der Charta der Vereinten Nationen und damit perspektivisch die UN selbst abzuschaffen, eine wichtige Rolle.

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"Den Kapitalismus notbremsen", UZ vom 22. März 2019



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