Seit einem Jahr sind Stellenabbau, Sparprogramme und Arbeitszeitkürzungen bei Bosch ständige Wegbegleiter. Der Konzern ist der weltweit größte Automobilzulieferer. Ende November hatte dieser den Abbau weiterer tausender Arbeitsplätze angekündigt – zusätzlich zu den bereits beschlossenen Stellenstreichungen.
Von über 12.000 Arbeitsplätzen weltweit ist die Rede. Bei über 10.000 Beschäftigten wurde beziehungsweise wird die Arbeitszeit um mehrere Stunden gekürzt. Dieser Schritt erfolgt natürlich ohne Lohnausgleich und bedeutet, dass die Kolleginnen und Kollegen bis zu 14 Prozent weniger Geld bekommen. Über 7.000 Stellen werden in Deutschland abgebaut, quer durch alle Sparten: Hard- und Softwareentwicklung für Fahrzeuge, Antriebs- und Lenkungssparte, Steuergeräte, Elektromobilität, Elektrowerkzeuge und Haushaltsgeräte.
Von den Sparmaßnahmen waren und sind Standorte vor allem in der Region Stuttgart betroffen, wo Bosch auch einen beträchtlichen Teil der inländischen Kolleginnen und Kollegen beschäftigt: Feuerbach, Leonberg, Abstatt, Renningen, Schwäbisch Gmünd, Schwieberdingen und der Konzernsitz in Gerlingen-Schillerhöhe.
Seit Ende November gab es erste Proteste der Belegschaften. Am 24. November – dem Totensonntag – protestierten Beschäftigte in Leonberg gegen den geplanten Stellenabbau. Dort, wo vor einiger Zeit eine überdimensionale Baugrube ausgehoben wurde und ein großer Gebäudekomplex mit Konferenzräumen, Laboren und einer Kantine entstehen sollte, wurde den Beschäftigten eine blühende Zukunft in Aussicht gestellt. Die Baugrube ist allerdings längst wieder zugeschüttet. Und genau dort schlugen die Kolleginnen und Kollegen aus Leonberg und Renningen acht Kreuze in den Boden und rollten ihre Protestbanner aus: „Hier ruht die Zukunft der Fahrerassistenz“, „Stoppt den weiteren Stellenabbau“. Dazu brennen sie bengalische Feuer ab. „Wir wollen das Feuer in Leonberg entzünden und rechtzeitig vor unserer Betriebsversammlung am Donnerstag in der Leonberger Stadthalle die Aufmerksamkeit auf den geplanten dramatischen Stellenabbau lenken“, so Betriebsrat Sören Hengst, der die Aktion in Leonberg organisiert hat.
Dirk Taffe, Betriebsratsvorsitzender in Leonberg, ergänzt: „Man nimmt uns Stück für Stück unsere Arbeitsplätze und Zukunft weg. Statt in zukunftsfähige, innovative Entwicklungsstandorte zu investieren, begegnet das Management dem Wettbewerb mit Kostenreduzierung durch Personalabbau. Das ersetzt aber keine Strategie.“
Neubauten für einen dreistelligen Millionenbetrag waren in Leonberg geplant. Mehr als 2.000 neue Beschäftigte sollten hier angeworben werden. Dann kamen Pandemie und Krise. Jetzt zeichnet sich ab, dass die Zahl von einst knapp 4.000 Beschäftigten in den nächsten Jahren fast halbiert werden soll. In einer zweiten Aktion Anfang Dezember stehen sie mit Schildern „SOS“ und „Hilfe“ vor dem Haupteingang bei der Protestkundgebung. Danach schmücken hunderte ihrer gelben Schilder die Fassade des Bosch-Gebäudes.
Anfang Dezember gab es auch Proteste in Schwieberdingen, wo die Geschäftsbereiche Softwareentwicklung für autonomes Fahren und Assistenz- und Steuersysteme sitzen. Tausend Beschäftigte protestieren vor dem Werkstor – überwiegend Ingenieure und Software-Entwickler, die traditionell vergleichsweise schwer für Aktionen zu gewinnen sind. Nur wenige von ihnen fühlten sich in der Vergangenheit mit der Gewerkschaft verbunden. Aber auch in diesen Berufsgruppen ändert sich gerade vieles, auch sie sind von Lohnsenkungen und Entlassungen betroffen. Hunderte sind mittlerweile in die IG Metall eingetreten.
Und auch in Renningen protestieren Anfang Dezember hunderte Beschäftigte vor dem Forschungszentrum während einer „aktive Mittagspause“. Der erste Protest, der hier jemals stattgefunden hat.
Vor dem Werksgelände in Schwäbisch Gmünd haben am 5. Dezember Kolleginnen und Kollegen 100 Holzkreuze und Grablichter aufgestellt. Sie sollen mindestens drei Monate stehen bleiben – „als Mahnmal“, um jeden Tag daran zu erinnern, dass es um Existenzen gehe. Die aufgestellten Lichter sollen symbolisieren, „Wo Schatten ist, ist auch Licht“. Man müsse jetzt gemeinsam da durch und kämpfen, so Tamara Hübner. Sie ist Erste Bevollmächtigte der IG Metall Aalen/Schwäbisch Gmünd.
Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Hüseyin Ekinci sieht den symbolischen Friedhof als eine erste Aktion, der viele weitere folgen sollen: „Wir haben keinen Sprint vor uns, sondern einen Marathon. Wir müssen unseren Atem so einteilen, dass wir diesen Marathon durchhalten können. Wir wollen einen ganz großen Widerstand aufbauen.“ Von den derzeit 3.600 Beschäftigten der Lenksysteme für Autos und Lastwagen in Gmünd stehen 1.300 auf der Schleuder, das sind mehr als ein Drittel. Ein herber Schlag für Gmünd. Bosch ist der größte Betrieb im Ort.
Nach dem großen bundesweiten Protesttag am 20. März dieses Jahres, an dem sich 25.000 Kolleginnen und Kollegen beteiligten, gab es jetzt wieder kleinere, lokale Proteste. Weitere Aktionen sind in Planung. Sie sollten zusammengeführt werden, damit nicht jeder Standort für sich alleine kämpft und damit die Gefahr der Spaltung der Belegschaft verstärkt wird.
Bei der Aktion in Gmünd hielt ein Kollege ein Schild in die Höhe: „Arbeiter in die Offensive“. Dieser Appell bietet gute Handlungsoptionen. Streiks sind nötig. Denn der Druck auf den Konzernvorstand muss deutlich verstärkt werden, wenn die Angriffe abgewehrt werden sollen. Der bundesweite Aktionstag der IG Metall am 15. März in Stuttgart, Frankfurt, Hannover, Leipzig und Köln muss genutzt werden, um einen starken, kämpferischen gemeinsamen Widerstand gegen Arbeitsplatzabbau und die zunehmenden Angriffe des Kapitals auf die Arbeiterklasse aufzubauen.