DKP M-V: Ein Land, „in dem wir gut und gerne leben“ – hält diese Sichtweise der Regierenden dem stand, was große Teile der Bevölkerung von M-V im Hinblick auf ihre eigene ökonomischen und sozialen Perspektiven zu erwarten haben?
Erich Bartels: Seit 1989 war das Motto wohl eher: M-V ist das Land, aus dem wir schweren Herzens weggehen müssen, um eine Existenz woanders zu finden. Auch heute ist das Land geprägt von einem großen Niedriglohnsektor, der etwa die Branchen Callcenter, Touristik, Zustelldienste, Wach- und Sicherheitsdienste umfasst. Wir sind das Land mit hoher Kinderarmut und geringen Renten. Derzeit besteht sogar die Gefahr, dass Armut und Arbeitslosigkeit wieder drastisch steigen. Nach der Coronakrise wird man versuchen, die Krisenlasten auf die Arbeiterklasse abzuwälzen. Vorboten sind die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge und eine nur minimale Erhöhung der Renten. Armut hat insbesondere für Kinder verheerende Wirkung. Vom Armutsrisiko betroffen sind 30 % der Heranwachsenden. Da es nicht gelungen ist, den geregelten Schulbetrieb durchgehend zu organisieren, werden Kinder ihrer Zukunftschancen beraubt. Ein Land, in dem man gut und gerne lebt? Für viele eher nicht.
DKP M-V: Wie kann eine linke Partei wie unsere durch ihre Kandidatur dazu beitragen, die Lohnabhängigen, die vom Armutsrisiko Betroffenen in ihrem Kampf um Zukunftschancen zu unterstützen?
Erich Bartels: In den heutigen Parlamenten, so auch in M-V, sitzen vor allem gutsituierte Bürger des Landes, die es zudem oft verstehen, sich üppige Zuverdienste zu organisieren. HartzIV-Empfänger, Arbeiter, Geringverdiener und Menschen mit niedriger Rente sind kaum oder nicht vertreten. Auf der Kandidatenliste der DKP stehen mehrheitlich Betroffene der bewusst herbeigeführten Verarmung. Die DKP will vor allem Betroffenen wieder eine eigene Stimme geben. Wer etwas ändern will, muss sich für seine eigenen Interessen engagieren und organisieren. Ein Beitrag, den wir seit langem in unserer Landeszeitung leisten, ist die Artikelserie „Armut konkret“. Hier kommen Betroffene zu Wort, die ihre eigene Situation schildern und zeigen, wie sich das geringe Einkommen auf ihr Leben auswirkt. Widerstand beginnt mit der Erkenntnis, dass es sehr viele Betroffene gibt, mit denen man sich gemeinsam wehren kann.
DKP M-V: Genügt es, dass sich die Leidtragenden von Sozial- und Demokratieabbau eine stärkere parlamentarische Präsenz verschaffen, um eine Wende zu sozialem Fortschritt herbeizuführen?
Erich Bartels: In Parlamenten ist nur das durchzusetzen, was in außerparlamentarischen Kämpfen angeschoben wird. Mitarbeit in Mieterinitiativen, Gewerkschaften, kämpferischen Elternbeiräten und in anderen sozialen Bewegungen baut erst den Druck auf, der zur Veränderung führen kann.