Am 25. Juli veröffentlichte Heinrich Buecker, Vorstandsmitglied des Deutschen Friedensrates e. V. und Betreiber des Anti-War-Café Berlin, einen Aufruf mit dem Titel: „Verhandlungen Jetzt! Stopp dem Kriegsgeschehen in der Ukraine!“ Der Aufruf wurde in wenigen Tagen von zahlreichen Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegnern unterzeichnet, darunter Norman Paech („Die Linke“), Klaus Hartmann (Deutscher Freidenker-Verband), Rechtsanwalt Hans E. Schmitt-Lermann und die Schauspieler Gina Pietsch und Rolf Becker. Auch Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, und Wera Richter, Chefredakteurin der UZ, haben unterzeichnet. Wir dokumentieren den Aufruf im Wortlaut, weil er geeignet ist, Friedenskräfte zu sammeln und für Aktivitäten gegen Krieg und Hochrüstung im Herbst zu mobilisieren.
Nach der überraschenden militärischen Intervention Russlands in der Ukraine ging es darum, den jähen Beginn der Kriegshandlungen einzuordnen, zu dem aus russischer Sicht mehrere Faktoren geführt haben:
- die sich dynamisch steigernden Ausbildungs- und Aufrüstungsinitiativen von NATO-Staaten, um das ukrainische Militär schlagkräftig und kompatibel zu NATO-Standards zu machen;
- sodann der seit Mitte Februar sich vervielfachende Beschuss der Donbass-Republiken aus gut befestigten Stellungen der ukrainischen Streitkräfte;
- zuletzt die Überlegung, dass ein weiteres Zuwarten das Risiko des Ausbaus von NATO-Waffenlagern und
- Stützpunkten und des Atomwaffeneinsatzes in der Ukraine die Gefahren noch steigern würde.
Der ukrainische Präsident hatte noch vor dem Angriff Russlands in seiner Rede vor der Münchner Sicherheitskonferenz den Ausstieg seines Landes aus dem Budapester Memorandum unwidersprochen in den Raum gestellt. Ein Fingerzeig darauf, dass die Ukraine die Verfügung über Atomwaffen anstreben würde.
Auch das russische Wording „Spezielle Militäroperation“ (SMO) war erklärungsbedürftig: Russland wollte seine Kriegsziele von denen üblicher (westlicher) Kriege im 21. Jahrhundert abgrenzen. Die mehrmals beschriebenen operativen Ziele sind:
- militärische Sicherheit für die Donbassrepubliken,
- Anerkennung der Sezession der Krim zu Russland,
- die De-Militarisierung und De-Nazifizierung der Ukraine und
- deren Verzicht auf die NATO-Mitgliedschaft.
Die Ukraine nimmt aus geografischen Gründen eine Sonderstellung ein – sind doch militärische Ziele bis tief ins Landesinnere Russlands vom ukrainischen Ostteil je nach Waffenart in wenigen Minuten zu erreichen. Die De-Nazifizierung wurde notwendig wegen der seit 2014 verstärkten Durchdringung aller staatlichen Machtstrukturen mit neofaschistischen und extrem russophoben Gruppen und Milizen sowie einer Kultur der nationalistischen Huldigung der Kollaborateure der Nazi-Besatzung von 1941 bis 1944.
Bei einem weiteren Thema ist offen, was der russischen Regierung vor dem Waffengang bekannt war: von seinen Truppen wurden knapp 30 vom US-Verteidigungsministerium geführte Bio-Labore entdeckt, deren Aufgabenspektrum so gefährliche Forschungen wie Ebola-, Pocken- und Milzbrand-Kulturen umfasste. In den USA selbst sind solche Forschungen verboten.
Ganz grundsätzlich will Russland seine vielfach diplomatisch erklärten und übermittelten legitimen Sicherheitsinteressen vom Westen endlich respektiert wissen, statt Teil eines Wettrüstens zu sein. Russland verlangt vom Westen eine Politik, die das militärische Drohpotential zurücknimmt, das durch die unablässige NATO-Osterweiterung und militärische Massierung vor Russlands Westgrenze aufgebaut wurde.
In den 90er Jahren hatte Russland nicht damit gerechnet, dass die NATO eine Serie von „Weltordnungs“-Kriegen und Interventionen beginnt. Die 1997 in der NATO-Russland-Grundakte zugesicherte „unteilbare Sicherheit aller Staaten“ und einer „gemeinsamen und umfassenden Sicherheit“ in der euro-atlantischen Gemeinschaft erwiesen sich als Täuschungen, analog vermeintlich friedenswilliger Versprechen, keine Ausweitung der NATO und der Schlagkraft des Militärbündnisses nach Osten anzustreben.
Ende vergangenen Jahres unternahm die russische Regierung einen nochmaligen Versuch, mit den NATO-Mächten einen Sicherheitsvertrag zur friedlichen Beilegung der Spannungen an seiner Westgrenze abzuschließen, was Ende Januar 2022 endgültig von USA und NATO zurückgewiesen wurde. Darin war die Einrichtung einer beiderseitigen demilitarisierten Sicherheitszone entlang der russischen Westgrenze enthalten, einschließlich Luftraum und angrenzenden Meeren.
Zur Überwindung des durch den US-gesteuerten Putsch ausgelösten innerstaatlichen Konflikts in der Ukraine hätte das völkerrechtlich gültige Minsk-2-Abkommen von 2015 eine wichtige Rolle spielen können. Diese von Russland favorisierte Chance, den Konflikt mit den abtrünnigen Republiken friedlich zu lösen, wurde aber vereitelt.
Im Nachhinein wird vom ukrainischen Ex-Präsidenten eingeräumt, nie an die Implementierung des Abkommens gedacht zu haben. Die beiden westlichen Garantiestaaten Deutschland und Frankreich beteiligten sich an dieser Posse.
Die Ukraine wurde ermuntert, die abtrünnigen Gebiete einschließlich der Krim auf dem Schlachtfeld zurückzuzwingen. Die nach dem Staatsstreich mit NATO-Unterstützung neu aufgebauten ukrainischen Streitkräfte haben seit 2014 darauf hingearbeitet, gegen die missliebigen russischsprachigen Bewohner der Ostukraine und Russland selbst einen gewinnbaren Krieg zu führen. Die russischen Truppen fanden tatsächlich Ende Februar schriftlich ausgearbeitete ukrainische Angriffspläne für den 8. März.
Wie hat der Westen reagiert?
Mit einseitiger oder falscher Information über das Kriegsgeschehen in der Ukraine. Mit einem beispiellosen ökonomischen „Sanktionsregime“, inzwischen über 30.000 Einzelmaßnahmen. Mit Desinteresse an einer raschen Beendigung des Blutvergießens. Mit Rohstoff- und Getreide-Spekulationsblasen an den Weltbörsen. Mit deutscher Verweigerung der Zulassung der fertiggestellten Pipeline Nord Stream 2, was den Gaspreis weiter nach oben trieb. Mit der beweisfreien Behauptung, Russland benutze die Energieabhängigkeit von Ländern als „Waffe“. Mit einem stufenweisen Embargo gegen russisches Öl. Mit dem Abschneiden Russlands vom westlich kontrollierten Zahlungssystem SWIFT. Mit Versuchen, Russland global zu isolieren.
Mit der Behauptung, wegen „Putin“ komme es zu Sozial- und Wirtschaftskrisen – nicht durch Börsen-Spekulation, Inflation und absichtlich herbeigeführten (!) Gasmangel. Wir sollen glauben, die Gefahr von Hungerkrisen und großflächigen sozialen Verwerfungen ist die Schuld „Putins“.
Mit zunehmenden Waffenlieferungen, samt Ausbildungseinheiten, samt Beratern, samt Bodenaufklärung an die Ukraine. Ihr anfängliches Verhandlungsinteresse mit Russland wurde der ukrainischen Regierung ausgeredet. Der Westen sieht ungerührt zu, wie die ukrainischen Streitkräfte massenhaft sterben, dass Waffenlieferungen keine grundsätzliche Wende herbeiführen können. Die Ukraine, das Armenhaus Europas, wird von Woche zu Woche mehr zerstört und verelendet.
Für den Westen, auch unsere Regierung, zählt einzig, ob es Anzeichen gibt, dass Russland wirtschaftlich und militärisch massiv geschwächt wird. Wie es den Menschen in der Ukraine geht, darauf wird keine Rücksicht genommen. Auch nicht auf die Bevölkerung in der EU.
Dem Westen geht es um die Niederringung Russlands. Mit welchem Recht? Das ist vollkommen verantwortungslos und blanke, imperialistische Kriegstreiberei. Der Westen schreckt nicht mal vor der Gefahr eines 3. Weltkriegs zurück.
Das wollen wir nicht!
- Schluss mit der Instrumentalisierung der Ukraine!
- Sanktionen und Waffenlieferungen stoppen!
- Verhandlungen jetzt!
- Kein Frieren und Hungern für die Bekämpfung Russlands!
- Nein zum Primat des Militärischen!
- Aufrüstungswahn sofort beenden!
- Nein zur NATO!
Weitere Unterstützerinnen und Unterstützer können den Aufruf hier unterzeichnen: berlin-gegen-krieg.de
Fest des Friedens
Auf dem UZ-Pressefest, dem Fest des Friedens und der Solidarität, geht es in mehreren Programmpunkten um das Thema Krieg und Frieden.
Friedensbewegung in Zeiten von Nato-Besoffenheit und Großmachtambition
Wo steht die Friedensbewegung, nachdem Scholz im Bundestag die Zeitenwende verkündet hat? Wer ist die Friedensbewegung, nachdem führende Vertreterinnen und Vertreter der Grünen zu den lautesten Kriegstreibern gehören und Teile der Linkspartei ihren Frieden mit der NATO machen? Über diese Fragen diskutieren Barbara Majid-Amin (GEW), Reiner Braun (International Peace Buero), Joachim Guilliard (Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg), Lühr Henken (Bundesausschuss Friedensratschlag) und Patrik Köbele (Vorsitzender der DKP). Es moderiert Lena Kreymann.
Samstag, 27. August, 11 Uhr, Debattenzelt
Solidarität mit dem Donbass
Seit dem 24. Februar sprechen alle über den Krieg in der Ukraine. Der begann bekanntlich acht Jahre früher und hat nur wenige interessiert. Wir diskutieren mit Aktivistinnen und Aktivisten, die seit 2014 – nicht nur materielle – Solidarität mit den Volksrepubliken geleistet haben und mehrmals vor Ort waren, zuletzt im Frühling und Sommer dieses Jahres.
Diskussion mit Liane Kilinc (Friedensbrücke – Kriegsopferhilfe e. V.), David Cacchione (Antifaschistische Karawane und Banda Bassotti) und Guillermo Quintero (Antifaschistische Karawane). Es moderiert Melina Deymann.
Samstag, 27. August, 13 Uhr, Rosa-Luxemburg-Zelt
Antikriegsmeeting
Auf der Hauptbühne gibt es mit dem Antikriegsmeeting am Samstag ein zweistündiges Programm mit Liedern, Gedichten, Reden und Grußworten gegen den Krieg. Es wirken mit: Gina Pietsch, Achim Bigus, Tino Eisbrenner, Hartmut König, Erich Schaffner, Musikandes und der Ernst-Busch-Chor. Mit dabei sind auch Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete der Partei „Die Linke“, Anne Rieger, Bundesausschuss Friedensratschlag, der Schriftsteller Dietmar Dath und Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP. Im Rahmen des Antikriegsmeetings begrüßt das Pressefest seine internationalen Gäste auf der Hauptbühne. Neben dieser Manifestation wird es kein Parallelprogramm geben.
Samstag, 27. August, 16.30 Uhr, Hauptbühne
Frieden mit Russland
Die Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung (GRH) lädt zu einer Diskussionsrunde „Frieden mit Russland“ im Zelt des Leninplatzes (auf dem Rosa-Luxemburg-Platz). Mit Hans Bauer, dem Vorsitzenden der GRH, diskutieren Klaus Hartmann, Anton Latzo und Oleg Eremenko.
Samstag, 27. August, 19 Uhr, Rosa-Luxemburg-Zelt