Perus Putsch-Präsidentin will im Amt bleiben

Demokratie abgeschafft

Theo Mai

Trotz der anhaltenden Proteste gegen die Putschisten-Regierung um die De-facto-Präsidentin Dina Boluarte hat diese nun angekündigt, die unter anderem von ihr selbst ins Spiel gebrachten vorgezogenen Neuwahlen im Februar nächsten Jahres nicht durchzuführen. Es sei, so Boluarte, „ihre Pflicht“, ihr „Mandat“ bis zum regulären Wahltermin am 28. Juli 2026 zu erfüllen.

Damit stellt sie sich gegen 80 Prozent der peruanischen Bevölkerung, die sich nach der neuesten Umfrage des Institutes für peruanische Studien (IEP) für sofortige oder zumindest vorgezogene Neuwahlen aussprechen und zudem Boluartes Regierung insgesamt missbilligen. Diese vernichtende Zahl wird nur davon übertroffen, dass knapp 90 Prozent der Peruaner den gesamten Kongress ablehnen und sich für seine sofortige Auflösung aussprechen. Während 19 Prozent Boluarte als mächtigste Kraft im Land sehen, halten 35 Prozent die Kongressabgeordneten dafür, 24 Prozent hingegen die Unternehmer. Das mündet letztendlich darin, dass insgesamt die Hälfte der gesamten peruanischen Bevölkerung ihren Andenstaat nicht mehr als Demokratie wahrnehmen.

Die Ablehnung Boluartes und ihres Kongresses geht vor allem auf die gewaltsame Reaktion seitens der Putschisten gegen die Proteste zurück, bei denen bis heute etwa 70 Menschen umgekommen sind. Bis zu 50 Tote sollen dabei Menschenrechtsorganisationen zufolge auf das Konto der harten Polizei- und Militäreinsätze gehen. Gegen Boluarte und weitere Regierungsmitglieder wird deswegen ermittelt. Die Vorwürfe: Verdacht auf Völkermord, schwere Tötung und schwere Körperverletzung. In ihrer Aussage vergangener Woche vor der Staatsanwaltschaft wies Boluarte jedoch jegliche Schuld von sich und suchte die Schuld weiterhin bei vermeintlich bewaffneten Banden. Parallel zu und gerade wegen dieser Ermittlungen offenbarte sich aber auch einmal mehr der reaktionäre Charakter der Putschisten. So wurde ebenfalls vergangene Woche im Kongress per Schnellverfahren beschlossen, alle Mitglieder des Nationalen Justizrats (JNJ) abzusetzen – also jener Behörde, die Gericht und Staatsanwaltschaft besetzt und kontrolliert.

Dieser direkte Eingriff in die Unabhängigkeit der peruanischen Justiz löste breite internationale Reaktionen aus. Neben dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte (Corte IDH) und dem Hochkommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Volker Türk, zeigten sich auch eine Vielzahl von Botschaften – Argentinien, Australien, Mexiko und gar Frankreich – besorgt und appellierten an die demokratische Einhaltung der Gewaltenteilung. Es gäbe keine legitimen Gründe, die die Absetzung des JNJ rechtfertigen könnten. Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador verweigerte gar die Einladung Joseph Bidens zur nächsten Konferenz der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC), da die Boluarte-Regierung ebenso eine Einladung erhalten hatte. Mexiko erkennt die Putschregierung nicht an.

Währenddessen – und scheinbar unbehelligt von der aktuellen tiefgreifenden politischen Krise – reiste der Staatsminister des Auswärtigen Amtes, Tobias Lindner (Grüne), nach Peru, um die Freundschaft zwischen Berlin und Lima zu festigen. Lindner wollte in Peru vor allem über globale Herausforderungen wie „Klimakrise, nachhaltige Transformation der Volkswirtschaften und Stärkung der regelbasierten Weltordnung“ sprechen – in Vorbereitung auf die Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York, die der beste Ort sei, „um unser gemeinsames Verständnis der Weltordnung neu zu bekräftigen“. Zum Putsch, den Protesten oder den reaktionären Umtrieben der De-facto-Regierung verlor er kein Wort. Dafür sprach Lindner darüber, dass es nirgendwo auf der Welt so viele Demokratien wie in Europa und Lateinamerika gäbe. Solche Worte im Rahmen eines Staatsbesuches bei einer Putschisten-Regierung zu finden, ist nicht einfach nur zynisch, sondern zeigt umso mehr, was unter der „regelbasierten Weltordnung“ des Wertewestens zu verstehen ist.

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"Demokratie abgeschafft", UZ vom 6. Oktober 2023



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