UZ-Tribüne verwirrt mehr als dass sie klärt

Demagogie oder Diskussion?

Kurt Baumann, Kassel

Es fällt schwer, einen Diskussionsbeitrag zu einer Tribüne zu verfassen, deren Sinn ungeklärt ist. Nach der Veröffentlichung der Bildungszeitung (BiZ) durch den Parteivorstand (PV) hätte eine Diskussion über die Schwierigkeiten und Erfolge, die didaktischen und methodischen Gedanken der Genossen bei der Umsetzung viel Sinn ergeben. Dies hätte die Umsetzung des gefassten Beschlusses, die Durchführung der BiZ in den Grundorganisationen der Partei und damit die Stärkung dieser Grundorganisationen erleichtert. Eine solche Diskussionstribüne hat der PV aber nicht beschlossen und die UZ nicht eingerichtet. Anstelle dessen erklären jede Menge selbsternannte Experten ihre Positionen, die oftmals wenig mit dem Inhalt der BiZ zu tun haben, an einigen Stellen so wenig, dass ich mich als Mitautor der BiZ ernsthaft frage, welche BiZ die Kritiker denn überhaupt gelesen haben.

Der PV wird sich Rechenschaft darüber ablegen müssen, dass er mit der Einrichtung dieser Tribüne in dieser Form hilft, die Umsetzung seines eigenen Beschlusses zur Durchführung der von ihm herausgegebenen BiZ zu sabotieren. Er wird sich Rechenschaft darüber ablegen müssen, dass dieses Vorgehen ideologisch eher dem Pluralismus zuzuordnen ist als dem Anspruch einer marxistisch-leninistischen Partei, sich die wissenschaftliche Weltanschauung anzueignen. Diese politischen und ideologischen Fehler müssen aufgearbeitet und überwunden werden.

Dabei fällt etwas Zweites auf: Lenin verwendet in „Was tun?“ viel Zeit und Kraft darauf, ernsthafte Positionen, auch unter solchen Leuten, die er dann kritisiert, von demagogischem Geschrei zu unterscheiden. Dieses demagogische Geschrei steht der inhaltlichen Auseinandersetzung entgegen, weil es nicht argumentiert, sondern Wertungen verteilt. Ursula Vogt nannte es in den Diskussionen „Likes und Dislikes“ verteilen.

Sowohl im Brief „Bitte nicht diese Bildungszeitung“, in der kein einziger Satz aus der BiZ zitiert wurde, als auch im Beitrag von Rainer Dörrenbecher, der uns Positionen unterstellt, die wir nicht geäußert und nicht vertreten haben, finden wir Varianten solchen Geschimpfes. So finden sich im Brief nur Unterstellungen, denen als demagogische Beigabe noch der bayrische Verfassungsschutz zugegeben wird. Dörrenbecher geht im Prinzip genauso vor: Wir würden vereinfachen (ein wohlfeiler Vorwurf, das tue ich mit jeder Aussage, die nicht das Ganze der Welt umfasst, notwendigerweise), den Faschismus als Gesetzmäßigkeit der Rechtsentwicklung erklären (völliger Unsinn, wir erklären die Rechtsentwicklung als Gesetzmäßigkeit des Monopolkapitalismus), um dann gerade das gegen ihn gerichtete Argument aufzugreifen, es könnten auch die Antifaschisten siegen, daraus wird bei ihm dann, dabei hätten bürgerliche Demokraten keinen Platz (nicht in der französischen Volksfront­regierung, nicht im Spanischen Krieg, nicht in der Volksfront im Inneren der Sowjetunion, nicht in der Antihitlerkoalition, nicht in den antimonopolistischen Bündnissen?). Dörrenbecher zimmert sich hier einen Pappkameraden, auf den er dann besser losgehen kann. Wem das zur Erkenntnis verhelfen soll, bleibt sein Geheimnis.

In meiner Grundorganisation wollen wir uns Zeit nehmen und die Bildungszeitung studieren und kollektiv diskutieren. Dabei werden wir auf die auch bei uns existierenden Meinungsverschiedenheiten stoßen und sie dann – auf einem neuen Niveau der Aneignung unserer wissenschaftlichen Weltanschauung – auch besser benennen und in Perspektive lösen können. Dabei hat die Diskussionstribüne nicht geholfen. Im Gegenteil, sie verwirrt und schadet.

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"Demagogie oder Diskussion?", UZ vom 27. November 2020



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