UZ: Die Kretschmann-Partei hat bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg noch einmal kräftig dazugewonnen. Was ist die Bilanz von Grünen und SPD? Warum ist der „grüne“ Ministerpräsident so beliebt bei den WählerInnen?
Björn Blach: Kretschmann ist mit einem Slogan „Regieren ist eine Stilfrage“ in die Wahl gegangen. Das ist letztendlich auch, was man festhalten kann.
Im Vergleich zu der jahrelangen CDU-Regierung hat sich der Stil des Regierens schon geändert: Man spielt den Leuten Beteiligung vor. Man gaukelt Volksabstimmungen vor. Und das ist eine Änderung gegenüber der Hau-Drauf-Politik, die insbesondere von Ministerpräsident Mappus (CDU) zum Schluss gemacht wurde. Aber an den Inhalten hat sich nichts geändert.
UZ: In Baden-Württemberg wurde das Thema Bildungs- und vor allem Schulpolitik heiß diskutiert. Hier konnte Kretschmann doch auf konkrete Veränderungen verweisen …?
Björn Blach: Die Grüne-SPD-Landesregierung hatte geplant, über 11000 Lehrerstellen zu streichen, weil die Schülerzahlen zurückgegangen sind, und feierte als Erfolg, dass sie bisher nur 1800 Stellen gestrichen hat, Ende dieses Schuljahres sollen weitere 400 Stellen folgen. Statt die Situation zu nutzen, dass man Lehrer hat und Schülerzahlen zurück gehen, um z. B. die Klassen zu verkleinern, rennt auch diese Landesregierung der sogenannten schwarzen Null hinterher.
UZ: Jetzt gab es ja zumindest einen Reformschritt, der umgesetzt wurde, das sind die Gemeinschaftsschulen. Was sagst du dazu?
Björn Blach: Die Gemeinschaftsschule ist keinesfalls eine Abkehr vom zergliederten Schulsystem, sondern sie ist höchstens eine Reaktion darauf, dass die Hauptschulen immer weniger SchülerInnen hatten. Da hat man dann einfach die Hauptschulen zu Gemeinschaftsschulen erklärt.
Es ist im Grunde Augenwischerei, weil nach wie vor das Gymnasium bestehen bleibt und damit das zergliederte Schulsystem. Die soziale Selektion bei uns bleibt, weil Baden-Württemberg das Bundesland ist, in dem der Geldbeutel der Eltern am stärksten über die Schulbildung der Kinder entscheidet. Darüber hinaus ist dieses Programm der Gemeinschaftsschulen durchgeführt worden, ohne dass man den Schulen dafür entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt hätte. Weder für notwendige Baumassnahmen, noch für entsprechendes Personal.
UZ: Können wir angesichts des Erfolgs einer Partei wie der AfD nicht froh sein, wenn so eine „grüne“ Regierung bei Wahlen erfolgreich ist, auch wenn sie die eigentlichen Probleme nicht angepackt hat?
Björn Blach: Wir haben mehrere grüne Oberbürgermeister in Baden-Württemberg und auch die Landesregierung hat sich durch Verkauf von öffentlichem Wohneigentum hervorgetan. Dem Aufstieg der AfD wurde nichts entgegen gesetzt. Im Gegenteil, ein Boris Palmer, Tübinger Oberbürgermeister, hat die Angstschürerei aufgegriffen und die Baden-Württemberger Landesregierung ist maßgeblich beteiligt daran, dass die Staaten des ehemaligen Jugoslawien als sichere Herkunftsländer gezählt werden und ist damit mit verantwortlich für die Rechtsentwicklung. Die Diskussion, die die bürgerlichen Parteien verschärft haben, hat jetzt der AfD genutzt.
UZ: Was sagst du zum Abschneiden der linken Kräfte? Zum Wahlkampf von „Die Linke“ und der DKP mit ihrer Kandidatur in Heidenheim?
Björn Blach: Das Baden-Württemberger Wahlsystem bevorzugt die großen Parteien dadurch, dass es nur Direktkandidaten gibt.
Ich denke, die Linkspartei hat sich mit einem unklaren Kurs selbst um einen möglichen Einzug in den Landtag gebracht. Ihr zentraler Slogan war „Baden-Württemberg plus sozial“. Damit kann es nicht gelingen, der rechten Stimmungsmache etwas entgegen zu halten.
UZ: Wie hat die DKP in den Wahlkampf eingegriffen?
Björn Blach: Die DKP hat im Vorfeld der Landtagswahl in einigen Orten der PDL Gespräche angeboten, um gemeinsam in diesen Landtagswahlkampf zu gehen. Das ist in den meisten Fällen abgelehnt worden.
Im Kreis Sinsheim, wo ein Genosse der DKP für die Linkspartei kandidiert hat, ist diese Kandidatur massiv vom Landesvorstand unter Druck gesetzt worden. Eigenständig haben wir in Heidenheim kandidiert.
Dort ist es uns gelungen, Stimmen zu gewinnen, allerdings ist das Ergebnis im Vergleich zu den Kommunalwahlen sehr gering. Die GenossInnen vor Ort haben aber einen engagierten Wahlkampf gemacht, der sich sicherlich in der Zukunft auszahlen wird.
Auch in Heidenheim gab es im Vorfeld den Versuch, gemeinsam zu agieren. Wir haben im Landtagswahlkampf mit unserer Kampagne „Fluchtursachen bekämpfen“ versucht, die gesellschaftliche Stimmung gegen die Flüchtlinge zu kontern und über die Fluchtursachen aufzuklären. Wir haben den Widerstand auf der Straße gestärkt, gegen die AfD und Pegida-Ableger.
UZ: Sind das die „sozialen“ Bewegungen hinter dem AfD-Erfolg, die ja als Partei relativ jung ist? Lässt sich das einschätzen, aus welchem Sumpf sie gekrochen kommen?
Björn Blach: Baden-Württemberg ist ein Land, das über Jahre hinweg von der CDU regiert wurde. Hinzu kommt eine große Stärke von evangelisch-pietistischen, auch freikirchlichen Verbindungen, die sehr konservativ sind. Und man darf auch nicht vergessen, dass Anfang der 90er Jahre mit den Republikanern eine rechte Partei sehr stark im Landtag vertreten war. Diese Inhalte sind nicht verschwunden.
Der NSU hatte Verbindungen in Baden-Württemberg, es gab Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, Waffenfunde und versuchte Morde.
Auf der anderen Seite wurde der antifaschistische Widerstand auch unter Grünen/SPD behindert und kriminalisiert. Ein Oberstaatsanwalt in Stuttgart verfolgte lieber Jugendliche mit durchgestrichenem Hakenkreuz als die Nazikriegsverbrechen im italienischen St. Anna.
Und wir haben in Stuttgart mit den christlich fundamentalistischen Bildungsplangegnern eine Mobilisierung, die die AfD genutzt hat Also insgesamt ein sehr konservatives Klima, mit deutlicher Orientierung nach rechts. In den Medien war die AfD sehr präsent, aber nicht mit ihren Inhalten, sondern nur als Schrecken der gutbürgerlichen. Das hat sie natürlich attraktiver als die Linkspartei gemacht.
Und es steckt Geld hinter der AFD, sie konnte sich einen aufwändigen Wahlkampf leisten und hat alle Haushalte mit einer kostenlosen Zeitung versorgt. Das gab es in der Form von keiner anderen Partei. Die Unzufriedenheit mit den bürgerlichen Parteien und reale Zukunftssorgen bringen dann weitere Wählerstimmen.