Über Personalprobleme bei der Bundeswehr

Dein Jahr für Deutschland

Die Bundeswehr hat Probleme. Nach nicht enden wollenden Waffenfunden bei Soldaten des „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) können die Entscheider bei der Bundeswehr und dem Verteidigungsministerium die offenkundigen Aktivitäten von Nazis in den Streitkräften nicht wie sonst ignorieren. Daher löste Annegret Kramp-Karrenbauer vor kurzem eine von vier Kompanien des KSK auf und verteilte die Nazis auf andere Einheiten. Ob das als Schadensbegrenzung reicht, wird sich zeigen. Bezweifeln kann man jedoch, ob die geforderte Grundgesetztreue der Soldatinnen und Soldaten, die Kramp-Karrenbauer und andere zur besten Sendezeit vortrugen, wirklich das A und O dessen ist, was die herrschende Klasse von ihrer institutionalisierten Söldnertruppe verlangt.

Der deutsche Imperialismus will global agieren und eine ernst zu nehmende Konkurrenz für die USA und China sein. Deutsch-EU sieht heute schon ihren Einflussbereich bis hinein ins Südchinesische Meer. Dazu braucht man unter anderem Soldatinnen und Soldaten, die einspringen, wenn politischer und ökonomischer Druck nicht mehr ausreichen. Dabei sind die Ansprüche an die Kämpfer nicht, dass sie sich von den historischen Versuchen des deutschen Imperialismus distanzieren, seine Interessen kriegerisch durchzusetzen.

Die Anforderungen an die Soldatinnen und Soldaten sind im Wandel. Der „Bürger in Uniform“ ist heute nicht mal mehr Propaganda, Realität war er nie. Bis zum Ende der Systemkonkurrenz waren die BRD-Streitkräfte ein Reservoir an Arbeitsplätzen, bei denen eine gemächliche Beamtenlaufbahn mit viel Sport während der Arbeitszeit aufgepeppt wurde. Das erwartete Kriegsszenario war eine atomare Auseinandersetzung zwischen den USA und der Sowjetunion – kein Platz mehr für den Heldentod im Felde. Das änderte sich spätestens 1999 mit dem Angriffskrieg gegen Jugoslawien und den folgenden „Auslandseinsätzen“ der Bundeswehr um den halben Globus.

Die Option „Gewaltsamer Tod während der Arbeitszeit“ veränderte das Klientel, das eine Bundeswehrkarriere in Betracht ziehen. Wer eine Lehrstelle, ein finanzierbares Studium und einen halbwegs sicheren Job in Aussicht hat, dem erscheint diese wenig verlockend. So stieg in den letzten Jahrzehnten der Anteil der Bundeswehrrekruten mit Migrationshintergrund und aus Ostdeutschland stetig an. Damit wird das Dilemma aber nur kleiner, in dem die Herrschenden stecken. Sie brauchen Personal für die Durchsetzung ihrer Interessen, jedoch immer weniger Kanonenfutter, welches nicht viel mehr kann als Strammstehen und in die richtige Richtung schießen. Der ideale Soldat von heute sollte nicht nur die High-Tech-Maschinen bedienen können, sondern auch ansatzweise verstehen. Das erfordert ein deutlich höheres Maß an Wissen und Schulung als ein klemmender Karabiner.

Als man 2011 die Wehrpflicht aussetzte, hatten Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und sein Nachfolger Thomas de Maizière (CDU) noch die Hoffnung, diese Aufgabe stemmen zu können. Ein freiwilliger Wehrdienst von sechs bis 23 Monate sollte als Schnupperangebot die Willigen, aber noch nicht Überzeugten anlocken. Auf den großen Rest, die keine Lust auf Zivildienst hatten, wollte man gerne verzichten. Um der Bundeswehr wieder oberflächlich etwas Demokratie zu impfen, fordern jetzt manche die Wiedereinführung der Wehrpflicht. „Das würde die Verteidigungsfähigkeit eher schwächen“, konterte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Jedoch sucht man neben dem freiwilligen Wehrdienst, nach Möglichkeiten, gewünschtes Personal an die Bundeswehr zu binden. Dabei sollen diverse „Innovationszentren der Bundeswehr“ helfen, die in letzter Zeit aus dem Boden sprießen. Zudem soll „Dein Jahr für Deutschland“ mit sechsmonatiger Grundausbildung und sechsmonatiger Reservedienst in der Nähe der Heimat Willige anlocken.

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"Dein Jahr für Deutschland", UZ vom 10. Juli 2020



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